"Ja" seufzt Gertrude, "nun ist es klar, Ich bin eine Irre leider!" Erglühend streicht sie zurück ihr Haar, Und ordnet die staubigen Kleider. "Wie sah ich so deutlich ihr liebes Gesicht, So deutlich am Schlage doch ragen! Allein in Ewigkeit hätte sie nicht Den armen Fidel geschlagen."
III.
Zehn Jahre! -- und Mancher der keck umher Die funkelnden Blicke geschossen, Der schlägt sie heute zu Boden schwer, Und Mancher hat sie geschlossen. Am Hafendamme geht eine Frau, -- Mich dünkt, wir müssen sie kennen, Ihr Haar einst schwarz, nun schillerndes Grau, Und hohl die Wangen ihr brennen.
Im Topfe trägt sie den Honigwab, Zergehend in Julius-Hitze; Die Trägerin trocknet den Schweiß sich ab, Und ruft dem hinkenden Spitze. Der sie bestellte, den Schiffspatron, Sieht über die Planke sie kommen; Wird er ihr kümmern den kargen Lohn? Gertrude denkt es beklommen.
Doch nein, -- wo sich die Matrosen geschaart, Zum Strande sieht sie ihn schreiten,
„Ja“ ſeufzt Gertrude, „nun iſt es klar, Ich bin eine Irre leider!“ Erglühend ſtreicht ſie zurück ihr Haar, Und ordnet die ſtaubigen Kleider. „Wie ſah ich ſo deutlich ihr liebes Geſicht, So deutlich am Schlage doch ragen! Allein in Ewigkeit hätte ſie nicht Den armen Fidel geſchlagen.“
III.
Zehn Jahre! — und Mancher der keck umher Die funkelnden Blicke geſchoſſen, Der ſchlägt ſie heute zu Boden ſchwer, Und Mancher hat ſie geſchloſſen. Am Hafendamme geht eine Frau, — Mich dünkt, wir müſſen ſie kennen, Ihr Haar einſt ſchwarz, nun ſchillerndes Grau, Und hohl die Wangen ihr brennen.
Im Topfe trägt ſie den Honigwab, Zergehend in Julius-Hitze; Die Trägerin trocknet den Schweiß ſich ab, Und ruft dem hinkenden Spitze. Der ſie beſtellte, den Schiffspatron, Sieht über die Planke ſie kommen; Wird er ihr kümmern den kargen Lohn? Gertrude denkt es beklommen.
Doch nein, — wo ſich die Matroſen geſchaart, Zum Strande ſieht ſie ihn ſchreiten,
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„Ja“ ſeufzt Gertrude, „nun iſt es klar,
Ich bin eine Irre leider!“
Erglühend ſtreicht ſie zurück ihr Haar,
Und ordnet die ſtaubigen Kleider.
„Wie ſah ich ſo deutlich ihr liebes Geſicht,
So deutlich am Schlage doch ragen!
Allein in Ewigkeit hätte ſie nicht
Den armen Fidel geſchlagen.“
III.
Zehn Jahre! — und Mancher der keck umher
Die funkelnden Blicke geſchoſſen,
Der ſchlägt ſie heute zu Boden ſchwer,
Und Mancher hat ſie geſchloſſen.
Am Hafendamme geht eine Frau,
— Mich dünkt, wir müſſen ſie kennen,
Ihr Haar einſt ſchwarz, nun ſchillerndes Grau,
Und hohl die Wangen ihr brennen.
Im Topfe trägt ſie den Honigwab,
Zergehend in Julius-Hitze;
Die Trägerin trocknet den Schweiß ſich ab,
Und ruft dem hinkenden Spitze.
Der ſie beſtellte, den Schiffspatron,
Sieht über die Planke ſie kommen;
Wird er ihr kümmern den kargen Lohn?
Gertrude denkt es beklommen.
Doch nein, — wo ſich die Matroſen geſchaart,
Zum Strande ſieht ſie ihn ſchreiten,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/343>, abgerufen am 22.02.2025.
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