"Qui vive!" -- 'ne Pause, -- "ou je tire!" Und aus dem Lauf die Kugel knallt; Er hört sie schlagen an die Thür, Und abwärts prallen mit Gewalt.
Der Schuß dröhnt am Gewölbe nach, Und, eine schwere Nebelschicht, Füllt Pulverbrodem das Gemach; Er theilt sich, schwindet, das Gesicht Steht in des Zimmers Mitte jetzt, Ganz wie ein graues Bild von Stein, Die Formen scharf und unverletzt, Die Züge edel, streng und rein.
Auf grauer Locke grau Barett, Mit grauer Hahnenfeder drauf. Der Waller hat so sacht und nett Sich hergelangt den zweiten Lauf. Noch zögert er -- ist es ein Bild, Wär's zu zerschießen lächerlich; Und wär's ein Mensch -- das Blut ihm quillt -- Ein Geck, der unterfinge sich --?!
Ein neuer Ruck, und wieder Knall Und Pulverrauch -- war das Gestöhn? Er hörte keiner Kugel Prall -- Es ist vorüber! ist geschehn! Der Waller zuckt: "verdammtes Hirn!" Mit einmal ist er kalt wie Eis, Der Angstschweiß tritt ihm auf die Stirn, Er starret in den Nebelkreis.
»Qui vive!« — 'ne Pauſe, — »ou je tire!« Und aus dem Lauf die Kugel knallt; Er hört ſie ſchlagen an die Thür, Und abwärts prallen mit Gewalt.
Der Schuß dröhnt am Gewölbe nach, Und, eine ſchwere Nebelſchicht, Füllt Pulverbrodem das Gemach; Er theilt ſich, ſchwindet, das Geſicht Steht in des Zimmers Mitte jetzt, Ganz wie ein graues Bild von Stein, Die Formen ſcharf und unverletzt, Die Züge edel, ſtreng und rein.
Auf grauer Locke grau Barett, Mit grauer Hahnenfeder drauf. Der Waller hat ſo ſacht und nett Sich hergelangt den zweiten Lauf. Noch zögert er — iſt es ein Bild, Wär's zu zerſchießen lächerlich; Und wär's ein Menſch — das Blut ihm quillt — Ein Geck, der unterfinge ſich —?!
Ein neuer Ruck, und wieder Knall Und Pulverrauch — war das Geſtöhn? Er hörte keiner Kugel Prall — Es iſt vorüber! iſt geſchehn! Der Waller zuckt: „verdammtes Hirn!“ Mit einmal iſt er kalt wie Eis, Der Angſtſchweiß tritt ihm auf die Stirn, Er ſtarret in den Nebelkreis.
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»Qui vive!« — 'ne Pauſe, — »ou je tire!«
Und aus dem Lauf die Kugel knallt;
Er hört ſie ſchlagen an die Thür,
Und abwärts prallen mit Gewalt.
Der Schuß dröhnt am Gewölbe nach,
Und, eine ſchwere Nebelſchicht,
Füllt Pulverbrodem das Gemach;
Er theilt ſich, ſchwindet, das Geſicht
Steht in des Zimmers Mitte jetzt,
Ganz wie ein graues Bild von Stein,
Die Formen ſcharf und unverletzt,
Die Züge edel, ſtreng und rein.
Auf grauer Locke grau Barett,
Mit grauer Hahnenfeder drauf.
Der Waller hat ſo ſacht und nett
Sich hergelangt den zweiten Lauf.
Noch zögert er — iſt es ein Bild,
Wär's zu zerſchießen lächerlich;
Und wär's ein Menſch — das Blut ihm quillt —
Ein Geck, der unterfinge ſich —?!
Ein neuer Ruck, und wieder Knall
Und Pulverrauch — war das Geſtöhn?
Er hörte keiner Kugel Prall —
Es iſt vorüber! iſt geſchehn!
Der Waller zuckt: „verdammtes Hirn!“
Mit einmal iſt er kalt wie Eis,
Der Angſtſchweiß tritt ihm auf die Stirn,
Er ſtarret in den Nebelkreis.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/318>, abgerufen am 25.11.2024.
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