In seinem Bette Waller lag, Und las so scharf im Ivanhoe, Daß man gedacht, bevor es Tag Sey Englands Königreich in Ruh.
Er sah nicht, daß die Kerze tief Sich brannte in der Flasche Rand, Der Talg in schweren Tropfen lief, Und drunten eine Lache stand. Wie träumend hört' er das Geknarr Der Fenster, vom Rouleau gedämpft, Und wie die Thüre mit Geschnarr In ihren Angeln zuckt und kämpft.
Sehr freut er sich am Bruder Tuck, -- Die Sehne schwirrt, es rauscht der Hain -- Da plötzlich ein gewalt'ger Ruck, Und, hui! die Scheibe klirrt hinein. Er fuhr empor, -- weg war der Traum -- Und deckte mit der Hand das Licht, Ha! wie so wüst des Zimmers Raum! Selbst ein romantisches Gedicht!
Der Sessel feudalistisch Gold -- Am Marmortisch die Greifenklau' -- Und über'm Spiegel flatternd rollt, Ein Banner, der Tapete Blau, Im Zug der durch die Lücke schnaubt; Die Ahnenbilder leben fast, Und schütteln ihr behelmtes Haupt Ergrimmt ob dem plebejen Gast.
In ſeinem Bette Waller lag, Und las ſo ſcharf im Ivanhoe, Daß man gedacht, bevor es Tag Sey Englands Königreich in Ruh.
Er ſah nicht, daß die Kerze tief Sich brannte in der Flaſche Rand, Der Talg in ſchweren Tropfen lief, Und drunten eine Lache ſtand. Wie träumend hört' er das Geknarr Der Fenſter, vom Rouleau gedämpft, Und wie die Thüre mit Geſchnarr In ihren Angeln zuckt und kämpft.
Sehr freut er ſich am Bruder Tuck, — Die Sehne ſchwirrt, es rauſcht der Hain — Da plötzlich ein gewalt'ger Ruck, Und, hui! die Scheibe klirrt hinein. Er fuhr empor, — weg war der Traum — Und deckte mit der Hand das Licht, Ha! wie ſo wüſt des Zimmers Raum! Selbſt ein romantiſches Gedicht!
Der Seſſel feudaliſtiſch Gold — Am Marmortiſch die Greifenklau' — Und über'm Spiegel flatternd rollt, Ein Banner, der Tapete Blau, Im Zug der durch die Lücke ſchnaubt; Die Ahnenbilder leben faſt, Und ſchütteln ihr behelmtes Haupt Ergrimmt ob dem plebejen Gaſt.
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In ſeinem Bette Waller lag,
Und las ſo ſcharf im Ivanhoe,
Daß man gedacht, bevor es Tag
Sey Englands Königreich in Ruh.
Er ſah nicht, daß die Kerze tief
Sich brannte in der Flaſche Rand,
Der Talg in ſchweren Tropfen lief,
Und drunten eine Lache ſtand.
Wie träumend hört' er das Geknarr
Der Fenſter, vom Rouleau gedämpft,
Und wie die Thüre mit Geſchnarr
In ihren Angeln zuckt und kämpft.
Sehr freut er ſich am Bruder Tuck,
— Die Sehne ſchwirrt, es rauſcht der Hain —
Da plötzlich ein gewalt'ger Ruck,
Und, hui! die Scheibe klirrt hinein.
Er fuhr empor, — weg war der Traum —
Und deckte mit der Hand das Licht,
Ha! wie ſo wüſt des Zimmers Raum!
Selbſt ein romantiſches Gedicht!
Der Seſſel feudaliſtiſch Gold —
Am Marmortiſch die Greifenklau' —
Und über'm Spiegel flatternd rollt,
Ein Banner, der Tapete Blau,
Im Zug der durch die Lücke ſchnaubt;
Die Ahnenbilder leben faſt,
Und ſchütteln ihr behelmtes Haupt
Ergrimmt ob dem plebejen Gaſt.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/316>, abgerufen am 22.11.2024.
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