Das Amen war verhallt. Ein zitternd Schweigen Lag auf der Menge, nur des Odems Steigen Durchsäuselte den weiten Hallenbau. Nur an der Tumba schwarzer Flämmchen Knistern Schien leise mit dem Grabe noch zu flüstern, Der Weihrauchwirbel streute Aschengrau.
"Geliebte!" scholl es von der Wölbung nieder, Die Wolke sank, und mählich stiegen Glieder, Am Kanzelbord ein junger Priester stand. Kein Schattenbild dem alle Lust verronnen, Ein frischer saftger Stamm am Lebensbronnen, Ein Adler ruhend auf Jehovah's Hand!
"Geliebte", sprach er, "selig sind die Todten So in dem Herrn entschliefen, treue Boten, Von ihrer Sendung rastend." Dann entstieg Das Wort, gewaltig wie des Jordans Wallen, Mild wie die Luft in Horebs Cederhallen, Als er bezeugte des Gerechten Sieg.
Die Stimme sank, des Stromes Wellen schwollen, Mir war als hört ich ferne Donner rollen: "Weh über euch, die weder warm noch kalt! O, wäret kalt ihr oder warm! die Werke Von eurer Hand sind todt, und eure Stärke Ist gleich dem Hornstoß der am Fels verhallt."
Und tiefer griff er in der Zeiten Wunde, Die Heller ließ er klingen, und vom Grunde
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 2
Das Amen war verhallt. Ein zitternd Schweigen Lag auf der Menge, nur des Odems Steigen Durchſäuſelte den weiten Hallenbau. Nur an der Tumba ſchwarzer Flämmchen Kniſtern Schien leiſe mit dem Grabe noch zu flüſtern, Der Weihrauchwirbel ſtreute Aſchengrau.
„Geliebte!“ ſcholl es von der Wölbung nieder, Die Wolke ſank, und mählich ſtiegen Glieder, Am Kanzelbord ein junger Prieſter ſtand. Kein Schattenbild dem alle Luſt verronnen, Ein friſcher ſaftger Stamm am Lebensbronnen, Ein Adler ruhend auf Jehovah's Hand!
„Geliebte“, ſprach er, „ſelig ſind die Todten So in dem Herrn entſchliefen, treue Boten, Von ihrer Sendung raſtend.“ Dann entſtieg Das Wort, gewaltig wie des Jordans Wallen, Mild wie die Luft in Horebs Cederhallen, Als er bezeugte des Gerechten Sieg.
Die Stimme ſank, des Stromes Wellen ſchwollen, Mir war als hört ich ferne Donner rollen: „Weh über euch, die weder warm noch kalt! O, wäret kalt ihr oder warm! die Werke Von eurer Hand ſind todt, und eure Stärke Iſt gleich dem Hornſtoß der am Fels verhallt.“
Und tiefer griff er in der Zeiten Wunde, Die Heller ließ er klingen, und vom Grunde
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 2
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Das Amen war verhallt. Ein zitternd Schweigen
Lag auf der Menge, nur des Odems Steigen
Durchſäuſelte den weiten Hallenbau.
Nur an der Tumba ſchwarzer Flämmchen Kniſtern
Schien leiſe mit dem Grabe noch zu flüſtern,
Der Weihrauchwirbel ſtreute Aſchengrau.
„Geliebte!“ ſcholl es von der Wölbung nieder,
Die Wolke ſank, und mählich ſtiegen Glieder,
Am Kanzelbord ein junger Prieſter ſtand.
Kein Schattenbild dem alle Luſt verronnen,
Ein friſcher ſaftger Stamm am Lebensbronnen,
Ein Adler ruhend auf Jehovah's Hand!
„Geliebte“, ſprach er, „ſelig ſind die Todten
So in dem Herrn entſchliefen, treue Boten,
Von ihrer Sendung raſtend.“ Dann entſtieg
Das Wort, gewaltig wie des Jordans Wallen,
Mild wie die Luft in Horebs Cederhallen,
Als er bezeugte des Gerechten Sieg.
Die Stimme ſank, des Stromes Wellen ſchwollen,
Mir war als hört ich ferne Donner rollen:
„Weh über euch, die weder warm noch kalt!
O, wäret kalt ihr oder warm! die Werke
Von eurer Hand ſind todt, und eure Stärke
Iſt gleich dem Hornſtoß der am Fels verhallt.“
Und tiefer griff er in der Zeiten Wunde,
Die Heller ließ er klingen, und vom Grunde
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 2
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/31>, abgerufen am 16.02.2025.
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