Ein leiser Traber -- ein schmuckes Thier -- Ein unermüdeter Wandrer! Kurz, wenig wüßt' ich zu rügen an dir, Wärst du nur völlig ein Andrer."
"Drum sey verständig, trab' heran, Und laß mich ruhig gewähren, Und sollt's dich kneipen, nicht zuck' mir dann, Du weißt, oft zwicken die Scheeren." Mein Schimmelchen stutzt, es setzt seitab, Ein paarmal rennt es in Kreisen, Dann sachte trabt es den Anger hinab, Dann stand es still vor dem Weisen.
Der sprach: "dein Ohr -- ein armer Stumpf! Armselig bist du geboren! Commandowort und der Siegstriumph, Das geht dir Alles verloren." Drauf rüstig setzt er die Zangen an, Und zerrt' und dehnte an Beiden; Mein Schimmelchen ächzt, und dachte dann: "O wehe, Hoffart muß leiden!"
"Auch deine Farbe -- erbärmlich schlecht! Nicht blank und dennoch zu lichte, Nicht für die romantische Dämmrung recht Und nicht für die klare Geschichte." Drauf emsig langt' er den Pinsel her, Und mischte Schwarz zu dem Weißen; Mein Schimmelchen zuckt, es juckt ihn sehr, Doch dacht' es: "wie werd' ich gleißen!"
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 17
Ein leiſer Traber — ein ſchmuckes Thier — Ein unermüdeter Wandrer! Kurz, wenig wüßt' ich zu rügen an dir, Wärſt du nur völlig ein Andrer.“
„Drum ſey verſtändig, trab' heran, Und laß mich ruhig gewähren, Und ſollt's dich kneipen, nicht zuck' mir dann, Du weißt, oft zwicken die Scheeren.“ Mein Schimmelchen ſtutzt, es ſetzt ſeitab, Ein paarmal rennt es in Kreiſen, Dann ſachte trabt es den Anger hinab, Dann ſtand es ſtill vor dem Weiſen.
Der ſprach: „dein Ohr — ein armer Stumpf! Armſelig biſt du geboren! Commandowort und der Siegstriumph, Das geht dir Alles verloren.“ Drauf rüſtig ſetzt er die Zangen an, Und zerrt' und dehnte an Beiden; Mein Schimmelchen ächzt, und dachte dann: „O wehe, Hoffart muß leiden!“
„Auch deine Farbe — erbärmlich ſchlecht! Nicht blank und dennoch zu lichte, Nicht für die romantiſche Dämmrung recht Und nicht für die klare Geſchichte.“ Drauf emſig langt' er den Pinſel her, Und miſchte Schwarz zu dem Weißen; Mein Schimmelchen zuckt, es juckt ihn ſehr, Doch dacht' es: „wie werd' ich gleißen!“
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 17
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Ein leiſer Traber — ein ſchmuckes Thier —
Ein unermüdeter Wandrer!
Kurz, wenig wüßt' ich zu rügen an dir,
Wärſt du nur völlig ein Andrer.“
„Drum ſey verſtändig, trab' heran,
Und laß mich ruhig gewähren,
Und ſollt's dich kneipen, nicht zuck' mir dann,
Du weißt, oft zwicken die Scheeren.“
Mein Schimmelchen ſtutzt, es ſetzt ſeitab,
Ein paarmal rennt es in Kreiſen,
Dann ſachte trabt es den Anger hinab,
Dann ſtand es ſtill vor dem Weiſen.
Der ſprach: „dein Ohr — ein armer Stumpf!
Armſelig biſt du geboren!
Commandowort und der Siegstriumph,
Das geht dir Alles verloren.“
Drauf rüſtig ſetzt er die Zangen an,
Und zerrt' und dehnte an Beiden;
Mein Schimmelchen ächzt, und dachte dann:
„O wehe, Hoffart muß leiden!“
„Auch deine Farbe — erbärmlich ſchlecht!
Nicht blank und dennoch zu lichte,
Nicht für die romantiſche Dämmrung recht
Und nicht für die klare Geſchichte.“
Drauf emſig langt' er den Pinſel her,
Und miſchte Schwarz zu dem Weißen;
Mein Schimmelchen zuckt, es juckt ihn ſehr,
Doch dacht' es: „wie werd' ich gleißen!“
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 17
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/271>, abgerufen am 16.02.2025.
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