Und wieder hörte ich den Schlag Der Amsel und der Grille Hüpfen, Und wieder durch den wilden Haag Der Biene sterbend Sumsen schlüpfen.
Da schleift' es, schwer wie Blei, Da flüstert' es aufs neue: "O wache! steh mir bei! Ich bin die Gattentreue." Das Auge hob ich, und ein Weib Sah ich wie halbgebrochen bücken, Das eines Mannes wunden Leib Mühselig trug auf seinem Rücken.
Ein feuchter Schleyer hing Ihr Haar am Antlitz nieder, Des Schweißes Perle fing Sich in der Wimper wieder. "Verbannt! verbannt zum wilden Wald, Wo Nacht und Oede mich umschauern! Verbannt wo in der Felsen Spalt Die Tauben um den Tauber trauern!"
Sie sah mich lange an, Im Auge Sterbeklagen, Und langsam hat sie dann Den Wunden fortgetragen. Sie klomm den Klippensteig entlang, Ihr Aechzen scholl vom Steine nieder, Wo grade unterm Schieferhang Sich regte bläuliches Gefieder.
Und wieder hörte ich den Schlag Der Amſel und der Grille Hüpfen, Und wieder durch den wilden Haag Der Biene ſterbend Sumſen ſchlüpfen.
Da ſchleift' es, ſchwer wie Blei, Da flüſtert' es aufs neue: „O wache! ſteh mir bei! Ich bin die Gattentreue.“ Das Auge hob ich, und ein Weib Sah ich wie halbgebrochen bücken, Das eines Mannes wunden Leib Mühſelig trug auf ſeinem Rücken.
Ein feuchter Schleyer hing Ihr Haar am Antlitz nieder, Des Schweißes Perle fing Sich in der Wimper wieder. „Verbannt! verbannt zum wilden Wald, Wo Nacht und Oede mich umſchauern! Verbannt wo in der Felſen Spalt Die Tauben um den Tauber trauern!“
Sie ſah mich lange an, Im Auge Sterbeklagen, Und langſam hat ſie dann Den Wunden fortgetragen. Sie klomm den Klippenſteig entlang, Ihr Aechzen ſcholl vom Steine nieder, Wo grade unterm Schieferhang Sich regte bläuliches Gefieder.
<TEI><text><body><divn="1"><lgtype="poem"><lgn="7"><pbfacs="#f0027"n="13"/><l>Und wieder hörte ich den Schlag</l><lb/><l>Der Amſel und der Grille Hüpfen,</l><lb/><l>Und wieder durch den wilden Haag</l><lb/><l>Der Biene ſterbend Sumſen ſchlüpfen.</l><lb/></lg><lgn="8"><l>Da ſchleift' es, ſchwer wie Blei,</l><lb/><l>Da flüſtert' es aufs neue:</l><lb/><l>„O wache! ſteh mir bei!</l><lb/><l>Ich bin die Gattentreue.“</l><lb/><l>Das Auge hob ich, und ein Weib</l><lb/><l>Sah ich wie halbgebrochen bücken,</l><lb/><l>Das eines Mannes wunden Leib</l><lb/><l>Mühſelig trug auf ſeinem Rücken.</l><lb/></lg><lgn="9"><l>Ein feuchter Schleyer hing</l><lb/><l>Ihr Haar am Antlitz nieder,</l><lb/><l>Des Schweißes Perle fing</l><lb/><l>Sich in der Wimper wieder.</l><lb/><l>„Verbannt! verbannt zum wilden Wald,</l><lb/><l>Wo Nacht und Oede mich umſchauern!</l><lb/><l>Verbannt wo in der Felſen Spalt</l><lb/><l>Die Tauben um den Tauber trauern!“</l><lb/></lg><lgn="10"><l>Sie ſah mich lange an,</l><lb/><l>Im Auge Sterbeklagen,</l><lb/><l>Und langſam hat ſie dann</l><lb/><l>Den Wunden fortgetragen.</l><lb/><l>Sie klomm den Klippenſteig entlang,</l><lb/><l>Ihr Aechzen ſcholl vom Steine nieder,</l><lb/><l>Wo grade unterm Schieferhang</l><lb/><l>Sich regte bläuliches Gefieder.</l><lb/></lg></lg></div></body></text></TEI>
[13/0027]
Und wieder hörte ich den Schlag
Der Amſel und der Grille Hüpfen,
Und wieder durch den wilden Haag
Der Biene ſterbend Sumſen ſchlüpfen.
Da ſchleift' es, ſchwer wie Blei,
Da flüſtert' es aufs neue:
„O wache! ſteh mir bei!
Ich bin die Gattentreue.“
Das Auge hob ich, und ein Weib
Sah ich wie halbgebrochen bücken,
Das eines Mannes wunden Leib
Mühſelig trug auf ſeinem Rücken.
Ein feuchter Schleyer hing
Ihr Haar am Antlitz nieder,
Des Schweißes Perle fing
Sich in der Wimper wieder.
„Verbannt! verbannt zum wilden Wald,
Wo Nacht und Oede mich umſchauern!
Verbannt wo in der Felſen Spalt
Die Tauben um den Tauber trauern!“
Sie ſah mich lange an,
Im Auge Sterbeklagen,
Und langſam hat ſie dann
Den Wunden fortgetragen.
Sie klomm den Klippenſteig entlang,
Ihr Aechzen ſcholl vom Steine nieder,
Wo grade unterm Schieferhang
Sich regte bläuliches Gefieder.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/27>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.