Denn die Predigt liegt noch ferne, Alle Sorgen scheinen leicht; Keiner kömmt am Montag gerne, Sey's zur Trauung, sey's zur Beicht."
"Und man darf mir's nicht verdenken, Will ich in des Amtes Frist Dem ein freies Stündchen schenken, Was doch auch zu loben ist. So erwacht denn, ihr Gesellen Meiner fleiß'gen Jugendzeit! Wollt' in Reih' und Glied euch stellen, Alte Bilder, eingeschneit!"
"Ilion will ich bekriegen, Mit Horaz auf Reisen geh'n, Will mit Alexander siegen Und an Memnons Säule steh'n. Oder auch vergnügt ergründen, Was das Vaterland gebracht, Mich mit Kant und Wolf verbünden, Zieh'n mit Laudon in die Schlacht."
Auf der Bücherleiter traben Sieh den Pfarrer, lustentbrannt, Sich verschanzen, sich vergraben Unter Heft und Foliant. Blättern sieh ihn -- nicken -- spüren -- Ganz versunken sitzen dann, Daß mit einer Linie rühren Du das Buch magst und den Mann.
Denn die Predigt liegt noch ferne, Alle Sorgen ſcheinen leicht; Keiner kömmt am Montag gerne, Sey's zur Trauung, ſey's zur Beicht.“
„Und man darf mir's nicht verdenken, Will ich in des Amtes Friſt Dem ein freies Stündchen ſchenken, Was doch auch zu loben iſt. So erwacht denn, ihr Geſellen Meiner fleiß'gen Jugendzeit! Wollt' in Reih' und Glied euch ſtellen, Alte Bilder, eingeſchneit!“
„Ilion will ich bekriegen, Mit Horaz auf Reiſen geh'n, Will mit Alexander ſiegen Und an Memnons Säule ſteh'n. Oder auch vergnügt ergründen, Was das Vaterland gebracht, Mich mit Kant und Wolf verbünden, Zieh'n mit Laudon in die Schlacht.“
Auf der Bücherleiter traben Sieh den Pfarrer, luſtentbrannt, Sich verſchanzen, ſich vergraben Unter Heft und Foliant. Blättern ſieh ihn — nicken — ſpüren — Ganz verſunken ſitzen dann, Daß mit einer Linie rühren Du das Buch magſt und den Mann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="1"><pbfacs="#f0250"n="236"/><l>Denn die Predigt liegt noch ferne,</l><lb/><l>Alle Sorgen ſcheinen leicht;</l><lb/><l>Keiner kömmt am Montag gerne,</l><lb/><l>Sey's zur Trauung, ſey's zur Beicht.“</l><lb/></lg><lgn="2"><l>„Und man darf mir's nicht verdenken,</l><lb/><l>Will ich in des Amtes Friſt</l><lb/><l>Dem ein freies Stündchen ſchenken,</l><lb/><l>Was doch auch zu loben iſt.</l><lb/><l>So erwacht denn, ihr Geſellen</l><lb/><l>Meiner fleiß'gen Jugendzeit!</l><lb/><l>Wollt' in Reih' und Glied euch ſtellen,</l><lb/><l>Alte Bilder, eingeſchneit!“</l><lb/></lg><lgn="3"><l>„Ilion will ich bekriegen,</l><lb/><l>Mit Horaz auf Reiſen geh'n,</l><lb/><l>Will mit Alexander ſiegen</l><lb/><l>Und an Memnons Säule ſteh'n.</l><lb/><l>Oder auch vergnügt ergründen,</l><lb/><l>Was das Vaterland gebracht,</l><lb/><l>Mich mit Kant und Wolf verbünden,</l><lb/><l>Zieh'n mit Laudon in die Schlacht.“</l><lb/></lg><lgn="4"><l>Auf der Bücherleiter traben</l><lb/><l>Sieh den Pfarrer, luſtentbrannt,</l><lb/><l>Sich verſchanzen, ſich vergraben</l><lb/><l>Unter Heft und Foliant.</l><lb/><l>Blättern ſieh ihn — nicken —ſpüren —</l><lb/><l>Ganz verſunken ſitzen dann,</l><lb/><l>Daß mit einer Linie rühren</l><lb/><l>Du das Buch magſt und den Mann.</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
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Denn die Predigt liegt noch ferne,
Alle Sorgen ſcheinen leicht;
Keiner kömmt am Montag gerne,
Sey's zur Trauung, ſey's zur Beicht.“
„Und man darf mir's nicht verdenken,
Will ich in des Amtes Friſt
Dem ein freies Stündchen ſchenken,
Was doch auch zu loben iſt.
So erwacht denn, ihr Geſellen
Meiner fleiß'gen Jugendzeit!
Wollt' in Reih' und Glied euch ſtellen,
Alte Bilder, eingeſchneit!“
„Ilion will ich bekriegen,
Mit Horaz auf Reiſen geh'n,
Will mit Alexander ſiegen
Und an Memnons Säule ſteh'n.
Oder auch vergnügt ergründen,
Was das Vaterland gebracht,
Mich mit Kant und Wolf verbünden,
Zieh'n mit Laudon in die Schlacht.“
Auf der Bücherleiter traben
Sieh den Pfarrer, luſtentbrannt,
Sich verſchanzen, ſich vergraben
Unter Heft und Foliant.
Blättern ſieh ihn — nicken — ſpüren —
Ganz verſunken ſitzen dann,
Daß mit einer Linie rühren
Du das Buch magſt und den Mann.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/250>, abgerufen am 22.11.2024.
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