Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Die beschränkte Frau.
Ein Krämer hatte eine Frau,
Die war ihm schier zu sanft und milde,
Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau,
Zu gleich ihr Blick dem Mondenschilde;
Wenn er sie sah so still und sacht
Im Hause gleiten wie ein Schemen,
Dann faßt es ihn wie böse Macht,
Er mußte sich zusammen nehmen.
Vor Allem macht ihm Ueberdruß
Ein Wort, das sie an Alles knüpfte,
Das freilich in der Rede Fluß
Gedankenlos dem Mund entschlüpfte:
"In Gottes Namen", sprach sie dann,
Wenn schwere Prüfungsstunden kamen,
Und wenn zu Weine ging ihr Mann,
Dann sprach sie auch: "in Gottes Namen."
Das schien ihm lächerlich und dumm,
Mitunter frevelhaft vermessen;
Oft schalt er und sie weinte drum,
Und hat es immer doch vergessen.
Gewöhnung war es früher Zeit
Und klösterlich verlebter Jugend;
So war es keine Sündlichkeit
Und war auch eben keine Tugend.
Die beſchränkte Frau.
Ein Krämer hatte eine Frau,
Die war ihm ſchier zu ſanft und milde,
Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau,
Zu gleich ihr Blick dem Mondenſchilde;
Wenn er ſie ſah ſo ſtill und ſacht
Im Hauſe gleiten wie ein Schemen,
Dann faßt es ihn wie böſe Macht,
Er mußte ſich zuſammen nehmen.
Vor Allem macht ihm Ueberdruß
Ein Wort, das ſie an Alles knüpfte,
Das freilich in der Rede Fluß
Gedankenlos dem Mund entſchlüpfte:
„In Gottes Namen“, ſprach ſie dann,
Wenn ſchwere Prüfungsſtunden kamen,
Und wenn zu Weine ging ihr Mann,
Dann ſprach ſie auch: „in Gottes Namen.“
Das ſchien ihm lächerlich und dumm,
Mitunter frevelhaft vermeſſen;
Oft ſchalt er und ſie weinte drum,
Und hat es immer doch vergeſſen.
Gewöhnung war es früher Zeit
Und klöſterlich verlebter Jugend;
So war es keine Sündlichkeit
Und war auch eben keine Tugend.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0238" n="224"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die be&#x017F;chränkte Frau.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ein Krämer hatte eine Frau,</l><lb/>
              <l>Die war ihm &#x017F;chier zu &#x017F;anft und milde,</l><lb/>
              <l>Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau,</l><lb/>
              <l>Zu gleich ihr Blick dem Monden&#x017F;childe;</l><lb/>
              <l>Wenn er &#x017F;ie &#x017F;ah &#x017F;o &#x017F;till und &#x017F;acht</l><lb/>
              <l>Im Hau&#x017F;e gleiten wie ein Schemen,</l><lb/>
              <l>Dann faßt es ihn wie bö&#x017F;e Macht,</l><lb/>
              <l>Er mußte &#x017F;ich zu&#x017F;ammen nehmen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Vor Allem macht ihm Ueberdruß</l><lb/>
              <l>Ein Wort, das &#x017F;ie an Alles knüpfte,</l><lb/>
              <l>Das freilich in der Rede Fluß</l><lb/>
              <l>Gedankenlos dem Mund ent&#x017F;chlüpfte:</l><lb/>
              <l>&#x201E;In Gottes Namen&#x201C;, &#x017F;prach &#x017F;ie dann,</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;chwere Prüfungs&#x017F;tunden kamen,</l><lb/>
              <l>Und wenn zu Weine ging ihr Mann,</l><lb/>
              <l>Dann &#x017F;prach &#x017F;ie auch: &#x201E;in Gottes Namen.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Das &#x017F;chien ihm lächerlich und dumm,</l><lb/>
              <l>Mitunter frevelhaft verme&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Oft &#x017F;chalt er und &#x017F;ie weinte drum,</l><lb/>
              <l>Und hat es immer doch verge&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Gewöhnung war es früher Zeit</l><lb/>
              <l>Und klö&#x017F;terlich verlebter Jugend;</l><lb/>
              <l>So war es keine Sündlichkeit</l><lb/>
              <l>Und war auch eben keine Tugend.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] Die beſchränkte Frau. Ein Krämer hatte eine Frau, Die war ihm ſchier zu ſanft und milde, Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau, Zu gleich ihr Blick dem Mondenſchilde; Wenn er ſie ſah ſo ſtill und ſacht Im Hauſe gleiten wie ein Schemen, Dann faßt es ihn wie böſe Macht, Er mußte ſich zuſammen nehmen. Vor Allem macht ihm Ueberdruß Ein Wort, das ſie an Alles knüpfte, Das freilich in der Rede Fluß Gedankenlos dem Mund entſchlüpfte: „In Gottes Namen“, ſprach ſie dann, Wenn ſchwere Prüfungsſtunden kamen, Und wenn zu Weine ging ihr Mann, Dann ſprach ſie auch: „in Gottes Namen.“ Das ſchien ihm lächerlich und dumm, Mitunter frevelhaft vermeſſen; Oft ſchalt er und ſie weinte drum, Und hat es immer doch vergeſſen. Gewöhnung war es früher Zeit Und klöſterlich verlebter Jugend; So war es keine Sündlichkeit Und war auch eben keine Tugend.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/238
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/238>, abgerufen am 24.11.2024.