Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Liebhabertheater.
Meinst du, wir hätten jetzt Decemberschnee?
Noch eben stand ich vor dem schönsten Hain,
So grün und kräftig sah ich keinen je.
Die Windsbraut fuhr, der Donner knallte drein,
Und seine Zweige trotzten wie gegossen,
Gleich an des Parkes Thor ein Häuschen stand,
Mit Kränzen war geschmückt die schlichte Wand,
Die haben nicht gezittert vor den Schlossen,
Das nenn' ich Kränze doch und einen Hain:
Und denkst du wohl, wir hätten finstre Nacht?
Des Morgens Gluten wallten eben noch,
Nothglühend, wie des Lavastromes Macht
Hernieder knistert von Vesuves Joch;
Nie sah so prächtig man Auroren ziehen!
An unsre Augen schlugen wir die Hand,
Und dachten schier, der Felsen steh' in Brand,
Die Hirten sahn wir wie Dämone glühen;
Das nenn' ich einen Sonnenaufgang doch!
Und sprichst du unsres Landes Nymphen Hohn?
Noch eben schlüpfte durch des Forstes Hau
Ein Mädchen, voll und sinnig wie der Mohn,
Gewiß, sie war die allerschönste Frau!
Ihr weißes Händchen hielt den blanken Spaten,
Das Liebhabertheater.
Meinſt du, wir hätten jetzt Decemberſchnee?
Noch eben ſtand ich vor dem ſchönſten Hain,
So grün und kräftig ſah ich keinen je.
Die Windsbraut fuhr, der Donner knallte drein,
Und ſeine Zweige trotzten wie gegoſſen,
Gleich an des Parkes Thor ein Häuschen ſtand,
Mit Kränzen war geſchmückt die ſchlichte Wand,
Die haben nicht gezittert vor den Schloſſen,
Das nenn' ich Kränze doch und einen Hain:
Und denkſt du wohl, wir hätten finſtre Nacht?
Des Morgens Gluten wallten eben noch,
Nothglühend, wie des Lavaſtromes Macht
Hernieder kniſtert von Veſuves Joch;
Nie ſah ſo prächtig man Auroren ziehen!
An unſre Augen ſchlugen wir die Hand,
Und dachten ſchier, der Felſen ſteh' in Brand,
Die Hirten ſahn wir wie Dämone glühen;
Das nenn' ich einen Sonnenaufgang doch!
Und ſprichſt du unſres Landes Nymphen Hohn?
Noch eben ſchlüpfte durch des Forſtes Hau
Ein Mädchen, voll und ſinnig wie der Mohn,
Gewiß, ſie war die allerſchönſte Frau!
Ihr weißes Händchen hielt den blanken Spaten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0201" n="187"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das Liebhabertheater.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Mein&#x017F;t du, wir hätten jetzt December&#x017F;chnee?</l><lb/>
              <l>Noch eben &#x017F;tand ich vor dem &#x017F;chön&#x017F;ten Hain,</l><lb/>
              <l>So grün und kräftig &#x017F;ah ich keinen je.</l><lb/>
              <l>Die Windsbraut fuhr, der Donner knallte drein,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;eine Zweige trotzten wie gego&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Gleich an des Parkes Thor ein Häuschen &#x017F;tand,</l><lb/>
              <l>Mit Kränzen war ge&#x017F;chmückt die &#x017F;chlichte Wand,</l><lb/>
              <l>Die haben nicht gezittert vor den Schlo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Das nenn' ich Kränze doch und einen Hain:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Und denk&#x017F;t du wohl, wir hätten fin&#x017F;tre Nacht?</l><lb/>
              <l>Des Morgens Gluten wallten eben noch,</l><lb/>
              <l>Nothglühend, wie des Lava&#x017F;tromes Macht</l><lb/>
              <l>Hernieder kni&#x017F;tert von Ve&#x017F;uves Joch;</l><lb/>
              <l>Nie &#x017F;ah &#x017F;o prächtig man Auroren ziehen!</l><lb/>
              <l>An un&#x017F;re Augen &#x017F;chlugen wir die Hand,</l><lb/>
              <l>Und dachten &#x017F;chier, der Fel&#x017F;en &#x017F;teh' in Brand,</l><lb/>
              <l>Die Hirten &#x017F;ahn wir wie Dämone glühen;</l><lb/>
              <l>Das nenn' ich einen Sonnenaufgang doch!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Und &#x017F;prich&#x017F;t du un&#x017F;res Landes Nymphen Hohn?</l><lb/>
              <l>Noch eben &#x017F;chlüpfte durch des For&#x017F;tes Hau</l><lb/>
              <l>Ein Mädchen, voll und &#x017F;innig wie der Mohn,</l><lb/>
              <l>Gewiß, &#x017F;ie war die aller&#x017F;chön&#x017F;te Frau!</l><lb/>
              <l>Ihr weißes Händchen hielt den blanken Spaten,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0201] Das Liebhabertheater. Meinſt du, wir hätten jetzt Decemberſchnee? Noch eben ſtand ich vor dem ſchönſten Hain, So grün und kräftig ſah ich keinen je. Die Windsbraut fuhr, der Donner knallte drein, Und ſeine Zweige trotzten wie gegoſſen, Gleich an des Parkes Thor ein Häuschen ſtand, Mit Kränzen war geſchmückt die ſchlichte Wand, Die haben nicht gezittert vor den Schloſſen, Das nenn' ich Kränze doch und einen Hain: Und denkſt du wohl, wir hätten finſtre Nacht? Des Morgens Gluten wallten eben noch, Nothglühend, wie des Lavaſtromes Macht Hernieder kniſtert von Veſuves Joch; Nie ſah ſo prächtig man Auroren ziehen! An unſre Augen ſchlugen wir die Hand, Und dachten ſchier, der Felſen ſteh' in Brand, Die Hirten ſahn wir wie Dämone glühen; Das nenn' ich einen Sonnenaufgang doch! Und ſprichſt du unſres Landes Nymphen Hohn? Noch eben ſchlüpfte durch des Forſtes Hau Ein Mädchen, voll und ſinnig wie der Mohn, Gewiß, ſie war die allerſchönſte Frau! Ihr weißes Händchen hielt den blanken Spaten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/201
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/201>, abgerufen am 22.12.2024.