Kein Wort, und wär' es scharf wie Stahles Klinge, Soll trennen, was in tausend Fäden Eins, So mächtig kein Gedanke, daß er dringe Vergällend in den Becher reinen Weins; Das Leben ist so kurz, das Glück so selten, So großes Kleinod, einmal sein statt gelten!
Hat das Geschick uns, wie in frevlem Witze, Auf feindlich starre Pole gleich erhöht, So wisse, dort, dort auf der Scheidung Spitze Herrscht, König über Alle, der Magnet, Nicht frägt er ob ihn Fels und Strom gefährde, Ein Stral fährt mitten er durchs Herz der Erde.
Blick' in mein Auge -- ist es nicht das deine, Ist nicht mein Zürnen selber deinem gleich? Du lächelst -- und dein Lächeln ist das meine, An gleicher Lust und gleichem Sinnen reich; Worüber alle Lippen freundlich scherzen, Wir fühlen Heilger es im eignen Herzen.
Pollux und Castor, -- wechselnd Glühn und Bleichen, Des Einen Licht geraubt dem Andern nur, Und doch der allerfrömmsten Treue Zeichen. -- So reiche mir die Hand, mein Dioskur! Und mag erneuern sich die holde Mythe, Wo überm Helm die Zwillingsflamme glühte.
An ***
Kein Wort, und wär' es ſcharf wie Stahles Klinge, Soll trennen, was in tauſend Fäden Eins, So mächtig kein Gedanke, daß er dringe Vergällend in den Becher reinen Weins; Das Leben iſt ſo kurz, das Glück ſo ſelten, So großes Kleinod, einmal ſein ſtatt gelten!
Hat das Geſchick uns, wie in frevlem Witze, Auf feindlich ſtarre Pole gleich erhöht, So wiſſe, dort, dort auf der Scheidung Spitze Herrſcht, König über Alle, der Magnet, Nicht frägt er ob ihn Fels und Strom gefährde, Ein Stral fährt mitten er durchs Herz der Erde.
Blick' in mein Auge — iſt es nicht das deine, Iſt nicht mein Zürnen ſelber deinem gleich? Du lächelſt — und dein Lächeln iſt das meine, An gleicher Luſt und gleichem Sinnen reich; Worüber alle Lippen freundlich ſcherzen, Wir fühlen Heilger es im eignen Herzen.
Pollux und Caſtor, — wechſelnd Glühn und Bleichen, Des Einen Licht geraubt dem Andern nur, Und doch der allerfrömmſten Treue Zeichen. — So reiche mir die Hand, mein Dioskur! Und mag erneuern ſich die holde Mythe, Wo überm Helm die Zwillingsflamme glühte.
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An ***
Kein Wort, und wär' es ſcharf wie Stahles Klinge,
Soll trennen, was in tauſend Fäden Eins,
So mächtig kein Gedanke, daß er dringe
Vergällend in den Becher reinen Weins;
Das Leben iſt ſo kurz, das Glück ſo ſelten,
So großes Kleinod, einmal ſein ſtatt gelten!
Hat das Geſchick uns, wie in frevlem Witze,
Auf feindlich ſtarre Pole gleich erhöht,
So wiſſe, dort, dort auf der Scheidung Spitze
Herrſcht, König über Alle, der Magnet,
Nicht frägt er ob ihn Fels und Strom gefährde,
Ein Stral fährt mitten er durchs Herz der Erde.
Blick' in mein Auge — iſt es nicht das deine,
Iſt nicht mein Zürnen ſelber deinem gleich?
Du lächelſt — und dein Lächeln iſt das meine,
An gleicher Luſt und gleichem Sinnen reich;
Worüber alle Lippen freundlich ſcherzen,
Wir fühlen Heilger es im eignen Herzen.
Pollux und Caſtor, — wechſelnd Glühn und Bleichen,
Des Einen Licht geraubt dem Andern nur,
Und doch der allerfrömmſten Treue Zeichen. —
So reiche mir die Hand, mein Dioskur!
Und mag erneuern ſich die holde Mythe,
Wo überm Helm die Zwillingsflamme glühte.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/179>, abgerufen am 22.02.2025.
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