Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Die rechte Stunde.
Im heitren Saal beim Kerzenlicht,
Wenn alle Lippen sprühen Funken,
Und gar vom Sonnenscheine trunken,
Wenn jeder Finger Blumen bricht,
Und vollends an geliebtem Munde,
Wenn die Natur in Flammen schwimmt, --
Das ist sie nicht die rechte Stunde,
Die dir der Genius bestimmt.
Doch wenn so Tag als Lust versank,
Dann wirst du schon ein Plätzchen wissen,
Vielleicht in deines Sopha's Kissen,
Vielleicht auf einer Gartenbank:
Dann klingt's wie halb verstandne Weise,
Wie halb verwischter Farben Guß
Verrinnt's um dich, und leise, leise
Berührt dich dann dein Genius.

Die rechte Stunde.
Im heitren Saal beim Kerzenlicht,
Wenn alle Lippen ſprühen Funken,
Und gar vom Sonnenſcheine trunken,
Wenn jeder Finger Blumen bricht,
Und vollends an geliebtem Munde,
Wenn die Natur in Flammen ſchwimmt, —
Das iſt ſie nicht die rechte Stunde,
Die dir der Genius beſtimmt.
Doch wenn ſo Tag als Luſt verſank,
Dann wirſt du ſchon ein Plätzchen wiſſen,
Vielleicht in deines Sopha's Kiſſen,
Vielleicht auf einer Gartenbank:
Dann klingt's wie halb verſtandne Weiſe,
Wie halb verwiſchter Farben Guß
Verrinnt's um dich, und leiſe, leiſe
Berührt dich dann dein Genius.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0162" n="148"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die rechte Stunde.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Im heitren Saal beim Kerzenlicht,</l><lb/>
              <l>Wenn alle Lippen &#x017F;prühen Funken,</l><lb/>
              <l>Und gar vom Sonnen&#x017F;cheine trunken,</l><lb/>
              <l>Wenn jeder Finger Blumen bricht,</l><lb/>
              <l>Und vollends an geliebtem Munde,</l><lb/>
              <l>Wenn die Natur in Flammen &#x017F;chwimmt, &#x2014;</l><lb/>
              <l>Das i&#x017F;t &#x017F;ie nicht die rechte Stunde,</l><lb/>
              <l>Die dir der Genius be&#x017F;timmt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Doch wenn &#x017F;o Tag als Lu&#x017F;t ver&#x017F;ank,</l><lb/>
              <l>Dann wir&#x017F;t du &#x017F;chon ein Plätzchen wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Vielleicht in deines Sopha's Ki&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Vielleicht auf einer Gartenbank:</l><lb/>
              <l>Dann klingt's wie halb ver&#x017F;tandne Wei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Wie halb verwi&#x017F;chter Farben Guß</l><lb/>
              <l>Verrinnt's um dich, und lei&#x017F;e, lei&#x017F;e</l><lb/>
              <l>Berührt dich dann dein Genius.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0162] Die rechte Stunde. Im heitren Saal beim Kerzenlicht, Wenn alle Lippen ſprühen Funken, Und gar vom Sonnenſcheine trunken, Wenn jeder Finger Blumen bricht, Und vollends an geliebtem Munde, Wenn die Natur in Flammen ſchwimmt, — Das iſt ſie nicht die rechte Stunde, Die dir der Genius beſtimmt. Doch wenn ſo Tag als Luſt verſank, Dann wirſt du ſchon ein Plätzchen wiſſen, Vielleicht in deines Sopha's Kiſſen, Vielleicht auf einer Gartenbank: Dann klingt's wie halb verſtandne Weiſe, Wie halb verwiſchter Farben Guß Verrinnt's um dich, und leiſe, leiſe Berührt dich dann dein Genius.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/162
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/162>, abgerufen am 22.12.2024.