Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Vielleicht doch saht ihr streifen
Den alten kranken Leun,
Saht seine Mähne schleifen
Und zittern sein Gebein,
Saht wie die breiten Pranken
Er matt und stöhnend hob,
Wie taumelnd seine Flanken
Er längs der Mauer schob.
Und Scheitel saht ihr, weiße,
Am Fensterglase spähn,
Die dann mit scheuem Fleiße
Sich hinter'n Vorhang drehn;
Vernahmt der Knaben Lachen,
Der Greise schmerzlich Ach,
Wenn er im freien flachen
Geländ' zusammen brach.
Allein ihr horcht als rede
Ich von dem Tartarchan,
Mit Augen weit und öde
Starrt ihr euch lange an,
Und Einer ruft: "O schauet,
Wie man ein Ehrenmal
Obscurem Burschen bauet!
Wer war der General?"

v. Droste-Hülshof, Gedichte. 10
Vielleicht doch ſaht ihr ſtreifen
Den alten kranken Leun,
Saht ſeine Mähne ſchleifen
Und zittern ſein Gebein,
Saht wie die breiten Pranken
Er matt und ſtöhnend hob,
Wie taumelnd ſeine Flanken
Er längs der Mauer ſchob.
Und Scheitel ſaht ihr, weiße,
Am Fenſterglaſe ſpähn,
Die dann mit ſcheuem Fleiße
Sich hinter'n Vorhang drehn;
Vernahmt der Knaben Lachen,
Der Greiſe ſchmerzlich Ach,
Wenn er im freien flachen
Geländ' zuſammen brach.
Allein ihr horcht als rede
Ich von dem Tartarchan,
Mit Augen weit und öde
Starrt ihr euch lange an,
Und Einer ruft: „O ſchauet,
Wie man ein Ehrenmal
Obſcurem Burſchen bauet!
Wer war der General?“

v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0159" n="145"/>
            <lg n="4">
              <l>Vielleicht doch &#x017F;aht ihr &#x017F;treifen</l><lb/>
              <l>Den alten kranken Leun,</l><lb/>
              <l>Saht &#x017F;eine Mähne &#x017F;chleifen</l><lb/>
              <l>Und zittern &#x017F;ein Gebein,</l><lb/>
              <l>Saht wie die breiten Pranken</l><lb/>
              <l>Er matt und &#x017F;töhnend hob,</l><lb/>
              <l>Wie taumelnd &#x017F;eine Flanken</l><lb/>
              <l>Er längs der Mauer &#x017F;chob.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Und Scheitel &#x017F;aht ihr, weiße,</l><lb/>
              <l>Am Fen&#x017F;tergla&#x017F;e &#x017F;pähn,</l><lb/>
              <l>Die dann mit &#x017F;cheuem Fleiße</l><lb/>
              <l>Sich hinter'n Vorhang drehn;</l><lb/>
              <l>Vernahmt der Knaben Lachen,</l><lb/>
              <l>Der Grei&#x017F;e &#x017F;chmerzlich Ach,</l><lb/>
              <l>Wenn er im freien flachen</l><lb/>
              <l>Geländ' zu&#x017F;ammen brach.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Allein ihr horcht als rede</l><lb/>
              <l>Ich von dem Tartarchan,</l><lb/>
              <l>Mit Augen weit und öde</l><lb/>
              <l>Starrt ihr euch lange an,</l><lb/>
              <l>Und Einer ruft: &#x201E;O &#x017F;chauet,</l><lb/>
              <l>Wie man ein Ehrenmal</l><lb/>
              <l>Ob&#x017F;curem Bur&#x017F;chen bauet!</l><lb/>
              <l>Wer war der General?&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">v</hi>. <hi rendition="#g">Dro&#x017F;te-Hülshof</hi>, Gedichte. 10<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0159] Vielleicht doch ſaht ihr ſtreifen Den alten kranken Leun, Saht ſeine Mähne ſchleifen Und zittern ſein Gebein, Saht wie die breiten Pranken Er matt und ſtöhnend hob, Wie taumelnd ſeine Flanken Er längs der Mauer ſchob. Und Scheitel ſaht ihr, weiße, Am Fenſterglaſe ſpähn, Die dann mit ſcheuem Fleiße Sich hinter'n Vorhang drehn; Vernahmt der Knaben Lachen, Der Greiſe ſchmerzlich Ach, Wenn er im freien flachen Geländ' zuſammen brach. Allein ihr horcht als rede Ich von dem Tartarchan, Mit Augen weit und öde Starrt ihr euch lange an, Und Einer ruft: „O ſchauet, Wie man ein Ehrenmal Obſcurem Burſchen bauet! Wer war der General?“ v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/159
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/159>, abgerufen am 27.11.2024.