Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Er liest, er tunkt die Feder ein,
Hat nur Sekunden sich berathen,
Und an den nächsten Lehnsagnaten
Schreibt muthig er beim Lampenschein:

"Wohl sagt man, daß Tyrannenmacht
Nicht Eides * Band vermag zu schlingen,
Doch wo in uns ein Zweifel wacht,
Da müssen wir zum Besten ringen.
Nimm hin der Väter liebes Schloß,
-- O würd' ich einstens dort begraben! --
Ich bin gewöhnt nicht viel zu haben,
Und mein Bedürfniß ist nicht groß."
Wer unter Euch von Opfern spricht,
Von edleren, und Märtrerzeichen,
Der sah gewiß noch Jahre nicht,
Nicht vierzig Jahr in Sorg' entschleichen!
Ihr die mit Stärke prunkt und gleich
Euch drängt zu stolzer Thaten Weihe:
-- Er war ein Mann wie Wachs so weich,
Nur stark in Gott und seiner Treue.
Und wie es ferner ihm erging?
Er hat gemalt bis er gestorben,
Zuletzt, in langer Jahre Ring,
Ein schmal Vermögen sich erworben;
* Der Huldigungseid, den er als Grundbesitzer hätte leisten müssen.

Er liest, er tunkt die Feder ein,
Hat nur Sekunden ſich berathen,
Und an den nächſten Lehnsagnaten
Schreibt muthig er beim Lampenſchein:

„Wohl ſagt man, daß Tyrannenmacht
Nicht Eides * Band vermag zu ſchlingen,
Doch wo in uns ein Zweifel wacht,
Da müſſen wir zum Beſten ringen.
Nimm hin der Väter liebes Schloß,
— O würd' ich einſtens dort begraben! —
Ich bin gewöhnt nicht viel zu haben,
Und mein Bedürfniß iſt nicht groß.“
Wer unter Euch von Opfern ſpricht,
Von edleren, und Märtrerzeichen,
Der ſah gewiß noch Jahre nicht,
Nicht vierzig Jahr in Sorg' entſchleichen!
Ihr die mit Stärke prunkt und gleich
Euch drängt zu ſtolzer Thaten Weihe:
— Er war ein Mann wie Wachs ſo weich,
Nur ſtark in Gott und ſeiner Treue.
Und wie es ferner ihm erging?
Er hat gemalt bis er geſtorben,
Zuletzt, in langer Jahre Ring,
Ein ſchmal Vermögen ſich erworben;
* Der Huldigungseid, den er als Grundbeſitzer hätte leiſten müſſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="7">
              <pb facs="#f0152" n="138"/>
              <l>Er liest, er tunkt die Feder ein,</l><lb/>
              <l>Hat nur Sekunden &#x017F;ich berathen,</l><lb/>
              <l>Und an den näch&#x017F;ten Lehnsagnaten</l><lb/>
              <l>Schreibt muthig er beim Lampen&#x017F;chein:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>&#x201E;Wohl &#x017F;agt man, daß Tyrannenmacht</l><lb/>
              <l>Nicht Eides <note place="foot" n="*">Der Huldigungseid, den er als Grundbe&#x017F;itzer hätte lei&#x017F;ten mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/></note> Band vermag zu &#x017F;chlingen,</l><lb/>
              <l>Doch wo in uns ein Zweifel wacht,</l><lb/>
              <l>Da mü&#x017F;&#x017F;en wir zum Be&#x017F;ten ringen.</l><lb/>
              <l>Nimm hin der Väter liebes Schloß,</l><lb/>
              <l>&#x2014; O würd' ich ein&#x017F;tens dort begraben! &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ich bin gewöhnt nicht viel zu haben,</l><lb/>
              <l>Und mein Bedürfniß i&#x017F;t nicht groß.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Wer unter Euch von Opfern &#x017F;pricht,</l><lb/>
              <l>Von edleren, und Märtrerzeichen,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ah gewiß noch Jahre nicht,</l><lb/>
              <l>Nicht vierzig Jahr in Sorg' ent&#x017F;chleichen!</l><lb/>
              <l>Ihr die mit Stärke prunkt und gleich</l><lb/>
              <l>Euch drängt zu &#x017F;tolzer Thaten Weihe:</l><lb/>
              <l>&#x2014; Er war ein Mann wie Wachs &#x017F;o weich,</l><lb/>
              <l>Nur &#x017F;tark in Gott und &#x017F;einer Treue.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="10">
              <l>Und wie es ferner ihm erging?</l><lb/>
              <l>Er hat gemalt bis er ge&#x017F;torben,</l><lb/>
              <l>Zuletzt, in langer Jahre Ring,</l><lb/>
              <l>Ein &#x017F;chmal Vermögen &#x017F;ich erworben;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0152] Er liest, er tunkt die Feder ein, Hat nur Sekunden ſich berathen, Und an den nächſten Lehnsagnaten Schreibt muthig er beim Lampenſchein: „Wohl ſagt man, daß Tyrannenmacht Nicht Eides * Band vermag zu ſchlingen, Doch wo in uns ein Zweifel wacht, Da müſſen wir zum Beſten ringen. Nimm hin der Väter liebes Schloß, — O würd' ich einſtens dort begraben! — Ich bin gewöhnt nicht viel zu haben, Und mein Bedürfniß iſt nicht groß.“ Wer unter Euch von Opfern ſpricht, Von edleren, und Märtrerzeichen, Der ſah gewiß noch Jahre nicht, Nicht vierzig Jahr in Sorg' entſchleichen! Ihr die mit Stärke prunkt und gleich Euch drängt zu ſtolzer Thaten Weihe: — Er war ein Mann wie Wachs ſo weich, Nur ſtark in Gott und ſeiner Treue. Und wie es ferner ihm erging? Er hat gemalt bis er geſtorben, Zuletzt, in langer Jahre Ring, Ein ſchmal Vermögen ſich erworben; * Der Huldigungseid, den er als Grundbeſitzer hätte leiſten müſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/152
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/152>, abgerufen am 23.11.2024.