Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Ein braver Mann. Noch lag, ein Wetterbrodem, schwer Die Tyrannei auf Deutschlands Gauen, Die Wachen schlichen scheu umher, Die Menge schlief in dumpfem Grauen; Ein Seufzer schien der Morgenwind Aus angstgepreßter Brust zu brechen; Nur die Kanone durfte sprechen Und lächeln durfte nur das Kind. Da lebt' im Frankenland ein Mann, Der bittre Stunden schon getragen, In drängenden Geschickes Bann Gar manche Täuschung sonder Klagen; Ihm war von seiner Ahnen Flur Der edle Name nur geblieben, Von allen, allen Jugendtrieben Des Herzens warm Gedenken nur. Durch frühes Siechthum schwer gebeugt
Und jeglichem Beruf verdorben, Hätt' oft er gern das Haupt geneigt Und wär' in Frieden nur gestorben; An seinen Schläfen lagen schon Mit vierzig Jahren weiße Garben, Und seiner Züge tiefe Narben Verriethen steter Sorge Frohn. Ein braver Mann. Noch lag, ein Wetterbrodem, ſchwer Die Tyrannei auf Deutſchlands Gauen, Die Wachen ſchlichen ſcheu umher, Die Menge ſchlief in dumpfem Grauen; Ein Seufzer ſchien der Morgenwind Aus angſtgepreßter Bruſt zu brechen; Nur die Kanone durfte ſprechen Und lächeln durfte nur das Kind. Da lebt' im Frankenland ein Mann, Der bittre Stunden ſchon getragen, In drängenden Geſchickes Bann Gar manche Täuſchung ſonder Klagen; Ihm war von ſeiner Ahnen Flur Der edle Name nur geblieben, Von allen, allen Jugendtrieben Des Herzens warm Gedenken nur. Durch frühes Siechthum ſchwer gebeugt
Und jeglichem Beruf verdorben, Hätt' oft er gern das Haupt geneigt Und wär' in Frieden nur geſtorben; An ſeinen Schläfen lagen ſchon Mit vierzig Jahren weiße Garben, Und ſeiner Züge tiefe Narben Verriethen ſteter Sorge Frohn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0150" n="136"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein braver Mann.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Noch lag, ein Wetterbrodem, ſchwer</l><lb/> <l>Die Tyrannei auf Deutſchlands Gauen,</l><lb/> <l>Die Wachen ſchlichen ſcheu umher,</l><lb/> <l>Die Menge ſchlief in dumpfem Grauen;</l><lb/> <l>Ein Seufzer ſchien der Morgenwind</l><lb/> <l>Aus angſtgepreßter Bruſt zu brechen;</l><lb/> <l>Nur die Kanone durfte ſprechen</l><lb/> <l>Und lächeln durfte nur das Kind.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Da lebt' im Frankenland ein Mann,</l><lb/> <l>Der bittre Stunden ſchon getragen,</l><lb/> <l>In drängenden Geſchickes Bann</l><lb/> <l>Gar manche Täuſchung ſonder Klagen;</l><lb/> <l>Ihm war von ſeiner Ahnen Flur</l><lb/> <l>Der edle Name nur geblieben,</l><lb/> <l>Von allen, allen Jugendtrieben</l><lb/> <l>Des Herzens warm Gedenken nur.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Durch frühes Siechthum ſchwer gebeugt</l><lb/> <l>Und jeglichem Beruf verdorben,</l><lb/> <l>Hätt' oft er gern das Haupt geneigt</l><lb/> <l>Und wär' in Frieden nur geſtorben;</l><lb/> <l>An ſeinen Schläfen lagen ſchon</l><lb/> <l>Mit vierzig Jahren weiße Garben,</l><lb/> <l>Und ſeiner Züge tiefe Narben</l><lb/> <l>Verriethen ſteter Sorge Frohn.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0150]
Ein braver Mann.
Noch lag, ein Wetterbrodem, ſchwer
Die Tyrannei auf Deutſchlands Gauen,
Die Wachen ſchlichen ſcheu umher,
Die Menge ſchlief in dumpfem Grauen;
Ein Seufzer ſchien der Morgenwind
Aus angſtgepreßter Bruſt zu brechen;
Nur die Kanone durfte ſprechen
Und lächeln durfte nur das Kind.
Da lebt' im Frankenland ein Mann,
Der bittre Stunden ſchon getragen,
In drängenden Geſchickes Bann
Gar manche Täuſchung ſonder Klagen;
Ihm war von ſeiner Ahnen Flur
Der edle Name nur geblieben,
Von allen, allen Jugendtrieben
Des Herzens warm Gedenken nur.
Durch frühes Siechthum ſchwer gebeugt
Und jeglichem Beruf verdorben,
Hätt' oft er gern das Haupt geneigt
Und wär' in Frieden nur geſtorben;
An ſeinen Schläfen lagen ſchon
Mit vierzig Jahren weiße Garben,
Und ſeiner Züge tiefe Narben
Verriethen ſteter Sorge Frohn.
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