Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Gezweig' und Kräuter breiten, So gut ich's finden mag: Wer will mir's übel deuten, Spiel' ich den Sommertag? Will nicht die Grille hallen, So säuselt doch das Ried; Sind stumm die Nachtigallen, So sing' ich selbst ein Lied. Und hat Natur zum Feste Nur wenig dargebracht: Die Lust ist stets die beste, Die man sich selber macht. Ein harter Wintertag. Daß ich dich so verkümmert seh', Mein lieb' lebend'ges Wasserreich, Daß ganz versteckt in Eis und Schnee Du siehst der plumpen Erde gleich; Auch daß voll Reif und Schollen hängt
Dein überglas'ter Fichtengang: Das ist es nicht, was mich beengt, Geh' ich an deinem Bord entlang. Gezweig' und Kräuter breiten, So gut ich's finden mag: Wer will mir's übel deuten, Spiel' ich den Sommertag? Will nicht die Grille hallen, So ſäuſelt doch das Ried; Sind ſtumm die Nachtigallen, So ſing' ich ſelbſt ein Lied. Und hat Natur zum Feſte Nur wenig dargebracht: Die Luſt iſt ſtets die beſte, Die man ſich ſelber macht. Ein harter Wintertag. Daß ich dich ſo verkümmert ſeh', Mein lieb' lebend'ges Waſſerreich, Daß ganz verſteckt in Eis und Schnee Du ſiehſt der plumpen Erde gleich; Auch daß voll Reif und Schollen hängt
Dein überglaſ'ter Fichtengang: Das iſt es nicht, was mich beengt, Geh' ich an deinem Bord entlang. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0123" n="109"/> <lg n="6"> <l>Gezweig' und Kräuter breiten,</l><lb/> <l>So gut ich's finden mag:</l><lb/> <l>Wer will mir's übel deuten,</l><lb/> <l>Spiel' ich den Sommertag?</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Will nicht die Grille hallen,</l><lb/> <l>So ſäuſelt doch das Ried;</l><lb/> <l>Sind ſtumm die Nachtigallen,</l><lb/> <l>So ſing' ich ſelbſt ein Lied.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Und hat Natur zum Feſte</l><lb/> <l>Nur wenig dargebracht:</l><lb/> <l>Die Luſt iſt ſtets die beſte,</l><lb/> <l>Die man ſich ſelber macht.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b #g">Ein harter Wintertag.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Daß ich dich ſo verkümmert ſeh',</l><lb/> <l>Mein lieb' lebend'ges Waſſerreich,</l><lb/> <l>Daß ganz verſteckt in Eis und Schnee</l><lb/> <l>Du ſiehſt der plumpen Erde gleich;</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Auch daß voll Reif und Schollen hängt</l><lb/> <l>Dein überglaſ'ter Fichtengang:</l><lb/> <l>Das iſt es nicht, was mich beengt,</l><lb/> <l>Geh' ich an deinem Bord entlang.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0123]
Gezweig' und Kräuter breiten,
So gut ich's finden mag:
Wer will mir's übel deuten,
Spiel' ich den Sommertag?
Will nicht die Grille hallen,
So ſäuſelt doch das Ried;
Sind ſtumm die Nachtigallen,
So ſing' ich ſelbſt ein Lied.
Und hat Natur zum Feſte
Nur wenig dargebracht:
Die Luſt iſt ſtets die beſte,
Die man ſich ſelber macht.
Ein harter Wintertag.
Daß ich dich ſo verkümmert ſeh',
Mein lieb' lebend'ges Waſſerreich,
Daß ganz verſteckt in Eis und Schnee
Du ſiehſt der plumpen Erde gleich;
Auch daß voll Reif und Schollen hängt
Dein überglaſ'ter Fichtengang:
Das iſt es nicht, was mich beengt,
Geh' ich an deinem Bord entlang.
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/123>, abgerufen am 22.02.2025. |