Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Herbst. Wenn ich an einem schönen Tag Der Mittagsstunde habe Acht, Und lehne unter meinem Baum So mitten in der Trauben Pracht: Wenn die Zeitlose über's Thal Den amethystnen Teppich webt, Auf dem der letzte Schmetterling So schillernd wie der frühste bebt: Dann denk' ich wenig drüber nach, Wie's nun verkümmert Tag für Tag, Und kann mit halbverschlossnem Blick Vom Lenze träumen und von Glück. Du mit dem frischgefall'nen Schnee, Du thust mir in den Augen weh! Willst uns den Winter schon bereiten: Von Schlucht zu Schlucht sieht man ihn gleiten, Und bald, bald wälzt er sich herab Von dir, o Säntis! ödes Grab! Herbſt. Wenn ich an einem ſchönen Tag Der Mittagsſtunde habe Acht, Und lehne unter meinem Baum So mitten in der Trauben Pracht: Wenn die Zeitloſe über's Thal Den amethyſtnen Teppich webt, Auf dem der letzte Schmetterling So ſchillernd wie der frühſte bebt: Dann denk' ich wenig drüber nach, Wie's nun verkümmert Tag für Tag, Und kann mit halbverſchloſſnem Blick Vom Lenze träumen und von Glück. Du mit dem friſchgefall'nen Schnee, Du thuſt mir in den Augen weh! Willſt uns den Winter ſchon bereiten: Von Schlucht zu Schlucht ſieht man ihn gleiten, Und bald, bald wälzt er ſich herab Von dir, o Säntis! ödes Grab! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0120" n="106"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Herbſt.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn ich an einem ſchönen Tag</l><lb/> <l>Der Mittagsſtunde habe Acht,</l><lb/> <l>Und lehne unter meinem Baum</l><lb/> <l>So mitten in der Trauben Pracht:</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wenn die Zeitloſe über's Thal</l><lb/> <l>Den amethyſtnen Teppich webt,</l><lb/> <l>Auf dem der letzte Schmetterling</l><lb/> <l>So ſchillernd wie der frühſte bebt:</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Dann denk' ich wenig drüber nach,</l><lb/> <l>Wie's nun verkümmert Tag für Tag,</l><lb/> <l>Und kann mit halbverſchloſſnem Blick</l><lb/> <l>Vom Lenze träumen und von Glück.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Du mit dem friſchgefall'nen Schnee,</l><lb/> <l>Du thuſt mir in den Augen weh!</l><lb/> <l>Willſt uns den Winter ſchon bereiten:</l><lb/> <l>Von Schlucht zu Schlucht ſieht man ihn gleiten,</l><lb/> <l>Und bald, bald wälzt er ſich herab</l><lb/> <l>Von dir, o Säntis! ödes Grab!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0120]
Herbſt.
Wenn ich an einem ſchönen Tag
Der Mittagsſtunde habe Acht,
Und lehne unter meinem Baum
So mitten in der Trauben Pracht:
Wenn die Zeitloſe über's Thal
Den amethyſtnen Teppich webt,
Auf dem der letzte Schmetterling
So ſchillernd wie der frühſte bebt:
Dann denk' ich wenig drüber nach,
Wie's nun verkümmert Tag für Tag,
Und kann mit halbverſchloſſnem Blick
Vom Lenze träumen und von Glück.
Du mit dem friſchgefall'nen Schnee,
Du thuſt mir in den Augen weh!
Willſt uns den Winter ſchon bereiten:
Von Schlucht zu Schlucht ſieht man ihn gleiten,
Und bald, bald wälzt er ſich herab
Von dir, o Säntis! ödes Grab!
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/120>, abgerufen am 22.02.2025. |