Auf der Burg haus' ich am Berge, Unter mir der blaue See, Höre nächtlich Koboldzwerge, Täglich Adler aus der Höh', Und die grauen Ahnenbilder Sind mir Stubenkameraden, Wappentruh' und Eisenschilder Sopha mir und Kleiderladen.
Schreit' ich über die Terrasse Wie ein Geist am Runenstein, Sehe unter mir die blasse Alte Stadt im Mondenschein, Und am Walle pfeift es weidlich, -- Sind es Käuze oder Knaben? -- Ist mir selber oft nicht deutlich, Ob ich lebend, ob begraben!
Mir genüber gähnt die Halle, Grauen Thores, hohl und lang, Drin mit wunderlichem Schalle Langsam dröhnt ein schwerer Gang; Mir zur Seite Riegelzüge, Ha, ich öffne, laß die Lampe Scheinen auf der Wendelstiege Lose modergrüne Rampe,
Das alte Schloß.
Auf der Burg hauſ' ich am Berge, Unter mir der blaue See, Höre nächtlich Koboldzwerge, Täglich Adler aus der Höh', Und die grauen Ahnenbilder Sind mir Stubenkameraden, Wappentruh' und Eiſenſchilder Sopha mir und Kleiderladen.
Schreit' ich über die Terraſſe Wie ein Geiſt am Runenſtein, Sehe unter mir die blaſſe Alte Stadt im Mondenſchein, Und am Walle pfeift es weidlich, — Sind es Käuze oder Knaben? — Iſt mir ſelber oft nicht deutlich, Ob ich lebend, ob begraben!
Mir genüber gähnt die Halle, Grauen Thores, hohl und lang, Drin mit wunderlichem Schalle Langſam dröhnt ein ſchwerer Gang; Mir zur Seite Riegelzüge, Ha, ich öffne, laß die Lampe Scheinen auf der Wendelſtiege Loſe modergrüne Rampe,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0116"n="102"/></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Das alte Schloß.</hi><lb/></head><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Auf der Burg hauſ' ich am Berge,</l><lb/><l>Unter mir der blaue See,</l><lb/><l>Höre nächtlich Koboldzwerge,</l><lb/><l>Täglich Adler aus der Höh',</l><lb/><l>Und die grauen Ahnenbilder</l><lb/><l>Sind mir Stubenkameraden,</l><lb/><l>Wappentruh' und Eiſenſchilder</l><lb/><l>Sopha mir und Kleiderladen.</l><lb/></lg><lgn="2"><l>Schreit' ich über die Terraſſe</l><lb/><l>Wie ein Geiſt am Runenſtein,</l><lb/><l>Sehe unter mir die blaſſe</l><lb/><l>Alte Stadt im Mondenſchein,</l><lb/><l>Und am Walle pfeift es weidlich,</l><lb/><l>— Sind es Käuze oder Knaben? —</l><lb/><l>Iſt mir ſelber oft nicht deutlich,</l><lb/><l>Ob ich lebend, ob begraben!</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Mir genüber gähnt die Halle,</l><lb/><l>Grauen Thores, hohl und lang,</l><lb/><l>Drin mit wunderlichem Schalle</l><lb/><l>Langſam dröhnt ein ſchwerer Gang;</l><lb/><l>Mir zur Seite Riegelzüge,</l><lb/><l>Ha, ich öffne, laß die Lampe</l><lb/><l>Scheinen auf der Wendelſtiege</l><lb/><l>Loſe modergrüne Rampe,</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[102/0116]
Das alte Schloß.
Auf der Burg hauſ' ich am Berge,
Unter mir der blaue See,
Höre nächtlich Koboldzwerge,
Täglich Adler aus der Höh',
Und die grauen Ahnenbilder
Sind mir Stubenkameraden,
Wappentruh' und Eiſenſchilder
Sopha mir und Kleiderladen.
Schreit' ich über die Terraſſe
Wie ein Geiſt am Runenſtein,
Sehe unter mir die blaſſe
Alte Stadt im Mondenſchein,
Und am Walle pfeift es weidlich,
— Sind es Käuze oder Knaben? —
Iſt mir ſelber oft nicht deutlich,
Ob ich lebend, ob begraben!
Mir genüber gähnt die Halle,
Grauen Thores, hohl und lang,
Drin mit wunderlichem Schalle
Langſam dröhnt ein ſchwerer Gang;
Mir zur Seite Riegelzüge,
Ha, ich öffne, laß die Lampe
Scheinen auf der Wendelſtiege
Loſe modergrüne Rampe,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/116>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.