Flattert es hier und dort In der steigenden Dämmrung Hort.
Gleich einem Königsgarten, Den verlassen die Fürstin hoch -- Nur in der Kühle ergehen Und um die Beete sich drehen Flüsternd ein Paar Hoffräulein noch.
Da des Himmels Vorhang sinkt, Oeffnet sich der Erde Brust, Leise, leise Kräutlein trinkt, Und entschlummert unbewußt; Und sein furchtsam Wächterlein, Würmchen mit dem grünen Schein, Zündet an dem Glühholz sein Leuchtchen klein.
Der Gärtner, über die Blumen gebeugt, Spürt an der Sohle den Thau, Gleich vom nächsten Halme er streicht Lächelnd die Tropfen lau; Geht noch einmal entlang den Wall, Prüft jede Knospe genau und gut: "Schlaft denn", spricht er, "ihr Kindlein all, Schlafet! ich laß euch der Mutter Hut; Liebe Erde! mir sind die Wimpern schwer, Hab' die letzte Nacht durchwacht, Breit wohl deinen Thaumantel um sie her, Nimm wohl mir die Kleinen in Acht."
Flattert es hier und dort In der ſteigenden Dämmrung Hort.
Gleich einem Königsgarten, Den verlaſſen die Fürſtin hoch — Nur in der Kühle ergehen Und um die Beete ſich drehen Flüſternd ein Paar Hoffräulein noch.
Da des Himmels Vorhang ſinkt, Oeffnet ſich der Erde Bruſt, Leiſe, leiſe Kräutlein trinkt, Und entſchlummert unbewußt; Und ſein furchtſam Wächterlein, Würmchen mit dem grünen Schein, Zündet an dem Glühholz ſein Leuchtchen klein.
Der Gärtner, über die Blumen gebeugt, Spürt an der Sohle den Thau, Gleich vom nächſten Halme er ſtreicht Lächelnd die Tropfen lau; Geht noch einmal entlang den Wall, Prüft jede Knoſpe genau und gut: „Schlaft denn“, ſpricht er, „ihr Kindlein all, Schlafet! ich laß euch der Mutter Hut; Liebe Erde! mir ſind die Wimpern ſchwer, Hab' die letzte Nacht durchwacht, Breit wohl deinen Thaumantel um ſie her, Nimm wohl mir die Kleinen in Acht.“
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Flattert es hier und dort
In der ſteigenden Dämmrung Hort.
Gleich einem Königsgarten,
Den verlaſſen die Fürſtin hoch —
Nur in der Kühle ergehen
Und um die Beete ſich drehen
Flüſternd ein Paar Hoffräulein noch.
Da des Himmels Vorhang ſinkt,
Oeffnet ſich der Erde Bruſt,
Leiſe, leiſe Kräutlein trinkt,
Und entſchlummert unbewußt;
Und ſein furchtſam Wächterlein,
Würmchen mit dem grünen Schein,
Zündet an dem Glühholz ſein
Leuchtchen klein.
Der Gärtner, über die Blumen gebeugt,
Spürt an der Sohle den Thau,
Gleich vom nächſten Halme er ſtreicht
Lächelnd die Tropfen lau;
Geht noch einmal entlang den Wall,
Prüft jede Knoſpe genau und gut:
„Schlaft denn“, ſpricht er, „ihr Kindlein all,
Schlafet! ich laß euch der Mutter Hut;
Liebe Erde! mir ſind die Wimpern ſchwer,
Hab' die letzte Nacht durchwacht,
Breit wohl deinen Thaumantel um ſie her,
Nimm wohl mir die Kleinen in Acht.“
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/100>, abgerufen am 22.11.2024.
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