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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die Sünderin.
den Schlaf ihres Kindes. Die Alte setzte sich vor das
Bett und sprach lange mit flüsternder Stimme zu dem
Mädchen. Plötzlich fuhr Mathilde in die Höhe, als ob
sie eine Viper gestochen, und richtete einen funkelnden
Blick auf die Redende. Die Alte aber beruhigte sie
wieder, und der flüsternde Ton ihrer Stimme, wie ihre
Geberden konnten von angelegentlicher Theilnahme zeugen.
Sie sprach sehr lange und augenscheinlich über sehr wich¬
tige Gegenstände mit ihr. Zuweilen schien es, als ob
von einem drohenden Gespenst der Zukunft die Rede
wäre, denn Mathilde rang die Hände und leise, nur
halbunterdrückte Seufzer drangen aus ihrer Brust; dann
wieder schien die Alte Versprechungen und lockende Aus¬
sichten für das Schicksal des Kindes auszumalen, Ma¬
thilde beugte sich mit einem schmerzlichen Lächeln über
die Wiege und bewegte die Lippen, wie in schwerem,
drückendem Traum. Die Alte ließ mit ihrer leisen Zu¬
sprache nicht nach, und es mußte sich um einen entschei¬
denden Entschluß handeln, über welchen die junge Mut¬
ter aber schwankend, mit steigender krampfhafter Erre¬
gung hin und her kämpfte. Mehrmals hatte sie die Alte
schon mit heftigen Bewegungen von sich gewiesen, dann
wieder heftete sich ihr Auge mit wehmüthigem Ausdruck

Die Suͤnderin.
den Schlaf ihres Kindes. Die Alte ſetzte ſich vor das
Bett und ſprach lange mit fluͤſternder Stimme zu dem
Maͤdchen. Ploͤtzlich fuhr Mathilde in die Hoͤhe, als ob
ſie eine Viper geſtochen, und richtete einen funkelnden
Blick auf die Redende. Die Alte aber beruhigte ſie
wieder, und der fluͤſternde Ton ihrer Stimme, wie ihre
Geberden konnten von angelegentlicher Theilnahme zeugen.
Sie ſprach ſehr lange und augenſcheinlich uͤber ſehr wich¬
tige Gegenſtaͤnde mit ihr. Zuweilen ſchien es, als ob
von einem drohenden Geſpenſt der Zukunft die Rede
waͤre, denn Mathilde rang die Haͤnde und leiſe, nur
halbunterdruͤckte Seufzer drangen aus ihrer Bruſt; dann
wieder ſchien die Alte Verſprechungen und lockende Aus¬
ſichten fuͤr das Schickſal des Kindes auszumalen, Ma¬
thilde beugte ſich mit einem ſchmerzlichen Laͤcheln uͤber
die Wiege und bewegte die Lippen, wie in ſchwerem,
druͤckendem Traum. Die Alte ließ mit ihrer leiſen Zu¬
ſprache nicht nach, und es mußte ſich um einen entſchei¬
denden Entſchluß handeln, uͤber welchen die junge Mut¬
ter aber ſchwankend, mit ſteigender krampfhafter Erre¬
gung hin und her kaͤmpfte. Mehrmals hatte ſie die Alte
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[84/0098] Die Suͤnderin. den Schlaf ihres Kindes. Die Alte ſetzte ſich vor das Bett und ſprach lange mit fluͤſternder Stimme zu dem Maͤdchen. Ploͤtzlich fuhr Mathilde in die Hoͤhe, als ob ſie eine Viper geſtochen, und richtete einen funkelnden Blick auf die Redende. Die Alte aber beruhigte ſie wieder, und der fluͤſternde Ton ihrer Stimme, wie ihre Geberden konnten von angelegentlicher Theilnahme zeugen. Sie ſprach ſehr lange und augenſcheinlich uͤber ſehr wich¬ tige Gegenſtaͤnde mit ihr. Zuweilen ſchien es, als ob von einem drohenden Geſpenſt der Zukunft die Rede waͤre, denn Mathilde rang die Haͤnde und leiſe, nur halbunterdruͤckte Seufzer drangen aus ihrer Bruſt; dann wieder ſchien die Alte Verſprechungen und lockende Aus¬ ſichten fuͤr das Schickſal des Kindes auszumalen, Ma¬ thilde beugte ſich mit einem ſchmerzlichen Laͤcheln uͤber die Wiege und bewegte die Lippen, wie in ſchwerem, druͤckendem Traum. Die Alte ließ mit ihrer leiſen Zu¬ ſprache nicht nach, und es mußte ſich um einen entſchei¬ denden Entſchluß handeln, uͤber welchen die junge Mut¬ ter aber ſchwankend, mit ſteigender krampfhafter Erre¬ gung hin und her kaͤmpfte. Mehrmals hatte ſie die Alte ſchon mit heftigen Bewegungen von ſich gewieſen, dann wieder heftete ſich ihr Auge mit wehmuͤthigem Ausdruck

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/98>, abgerufen am 23.11.2024.