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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die Sünderin.
weinend in Freude die kleinen Züge ihres Ebenbildes,
kaum wagte sie aus liebender Besorgniß dasselbe zu küssen
und zu liebkosen, ihre selige Lust nahm all ihr Denken
und Sinnen gefangen. Umsonst suchte ihre frühere Herr¬
schaft sie zur Rückkehr zu bewegen, umsonst stellten sie
ihr vor, daß sie ja nicht im Stande sei, ihren Unterhalt
zu gewinnen: sie wollte sich nicht von ihrem Kinde tren¬
nen, und nichts vermochte sie abzuhalten, ihm selbst die
Brust zu reichen. Ihre Zukunft kümmerte sie nicht,--
was würde denn auch ihre Zukunft ohne ihr Kind sein?

Als sie zu der Frau gezogen war, hatte sie eine
kleine Summe mitgebracht, die sie sich aus Ersparnissen
und Weihnacht- und Neujahrgeschenken gesammelt hatte.
Da außerdem die Kosten ihrer Entbindung von den
Wirthsleuten bezahlt worden waren, so war sie für's
Erste im Stande, bei der Frau noch eine Zeitlang ihren
Aufenthalt nehmen zu können. So blieb sie denn auch
volle drei Monate hier, einzig und allein für die Pflege
ihres Kindes besorgt. Endlich aber schwand auch der
letzte Rest ihres kleinen Besitzes. Sie theilte dies offen
ihrer Wirthin mit, und diese, welche sie nun nicht län¬
ger behalten wollte, gab ihr den Rath, sich zu einer ihrer
Nachbarinnen, einer alten Wäscherin, zu begeben, wel¬

Die Suͤnderin.
weinend in Freude die kleinen Zuͤge ihres Ebenbildes,
kaum wagte ſie aus liebender Beſorgniß daſſelbe zu kuͤſſen
und zu liebkoſen, ihre ſelige Luſt nahm all ihr Denken
und Sinnen gefangen. Umſonſt ſuchte ihre fruͤhere Herr¬
ſchaft ſie zur Ruͤckkehr zu bewegen, umſonſt ſtellten ſie
ihr vor, daß ſie ja nicht im Stande ſei, ihren Unterhalt
zu gewinnen: ſie wollte ſich nicht von ihrem Kinde tren¬
nen, und nichts vermochte ſie abzuhalten, ihm ſelbſt die
Bruſt zu reichen. Ihre Zukunft kuͤmmerte ſie nicht,—
was wuͤrde denn auch ihre Zukunft ohne ihr Kind ſein?

Als ſie zu der Frau gezogen war, hatte ſie eine
kleine Summe mitgebracht, die ſie ſich aus Erſparniſſen
und Weihnacht- und Neujahrgeſchenken geſammelt hatte.
Da außerdem die Koſten ihrer Entbindung von den
Wirthsleuten bezahlt worden waren, ſo war ſie fuͤr's
Erſte im Stande, bei der Frau noch eine Zeitlang ihren
Aufenthalt nehmen zu koͤnnen. So blieb ſie denn auch
volle drei Monate hier, einzig und allein fuͤr die Pflege
ihres Kindes beſorgt. Endlich aber ſchwand auch der
letzte Reſt ihres kleinen Beſitzes. Sie theilte dies offen
ihrer Wirthin mit, und dieſe, welche ſie nun nicht laͤn¬
ger behalten wollte, gab ihr den Rath, ſich zu einer ihrer
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[77/0091] Die Suͤnderin. weinend in Freude die kleinen Zuͤge ihres Ebenbildes, kaum wagte ſie aus liebender Beſorgniß daſſelbe zu kuͤſſen und zu liebkoſen, ihre ſelige Luſt nahm all ihr Denken und Sinnen gefangen. Umſonſt ſuchte ihre fruͤhere Herr¬ ſchaft ſie zur Ruͤckkehr zu bewegen, umſonſt ſtellten ſie ihr vor, daß ſie ja nicht im Stande ſei, ihren Unterhalt zu gewinnen: ſie wollte ſich nicht von ihrem Kinde tren¬ nen, und nichts vermochte ſie abzuhalten, ihm ſelbſt die Bruſt zu reichen. Ihre Zukunft kuͤmmerte ſie nicht,— was wuͤrde denn auch ihre Zukunft ohne ihr Kind ſein? Als ſie zu der Frau gezogen war, hatte ſie eine kleine Summe mitgebracht, die ſie ſich aus Erſparniſſen und Weihnacht- und Neujahrgeſchenken geſammelt hatte. Da außerdem die Koſten ihrer Entbindung von den Wirthsleuten bezahlt worden waren, ſo war ſie fuͤr's Erſte im Stande, bei der Frau noch eine Zeitlang ihren Aufenthalt nehmen zu koͤnnen. So blieb ſie denn auch volle drei Monate hier, einzig und allein fuͤr die Pflege ihres Kindes beſorgt. Endlich aber ſchwand auch der letzte Reſt ihres kleinen Beſitzes. Sie theilte dies offen ihrer Wirthin mit, und dieſe, welche ſie nun nicht laͤn¬ ger behalten wollte, gab ihr den Rath, ſich zu einer ihrer Nachbarinnen, einer alten Waͤſcherin, zu begeben, wel¬

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/91>, abgerufen am 23.11.2024.