war, erhielt sie von der Armendirektion von Neuem eine kleine, mehr als dürftige Unterstützung.
Das ist das ewige Geschick des Armen. Die Wohl¬ thätigkeit ist nur eine Grausamkeit, die ihn im Elend erhält und durch das Gefühl seiner hülflosen, jedem Ver¬ such eigner Erhebung trotzenden Abhängigkeit entwürdigt und demoralisirt.
Einige Zeit später treffen wir jene beiden Weiber wie¬ der, deren Gespräch wir oben schon einmal belauschten. Sie stehen vor einer Hausthür und schauen dem schwar¬ zen Leichenwagen nach, der einfach und ohne Geleit die Straße hinabfährt.
"Gott habe sie selig!" sagt die Eine. "Es war doch eine brave Frau, und es thut mir wahrhaftig leid um die armen Kinder. Sie haben eine gute und rechtschaffene Mutter verloren." --
"Ja, Gott verzeih' ihr. Sie hat den dummen Streich, daß sie den confiscirten Büchermacher geheirathet, schwer genug gebüßt! Was aber die Kinder betrifft, nun so ist ja das eine schon versorgt, und die beiden andern werden wohl auch noch unterkommen."
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Polizeiliche Eheſcheidung.
war, erhielt ſie von der Armendirektion von Neuem eine kleine, mehr als duͤrftige Unterſtuͤtzung.
Das iſt das ewige Geſchick des Armen. Die Wohl¬ thaͤtigkeit iſt nur eine Grauſamkeit, die ihn im Elend erhaͤlt und durch das Gefuͤhl ſeiner huͤlfloſen, jedem Ver¬ ſuch eigner Erhebung trotzenden Abhaͤngigkeit entwuͤrdigt und demoraliſirt.
Einige Zeit ſpaͤter treffen wir jene beiden Weiber wie¬ der, deren Geſpraͤch wir oben ſchon einmal belauſchten. Sie ſtehen vor einer Hausthuͤr und ſchauen dem ſchwar¬ zen Leichenwagen nach, der einfach und ohne Geleit die Straße hinabfaͤhrt.
„Gott habe ſie ſelig!“ ſagt die Eine. „Es war doch eine brave Frau, und es thut mir wahrhaftig leid um die armen Kinder. Sie haben eine gute und rechtſchaffene Mutter verloren.“ —
„Ja, Gott verzeih' ihr. Sie hat den dummen Streich, daß ſie den confiscirten Buͤchermacher geheirathet, ſchwer genug gebuͤßt! Was aber die Kinder betrifft, nun ſo iſt ja das eine ſchon verſorgt, und die beiden andern werden wohl auch noch unterkommen.“
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[65/0079]
Polizeiliche Eheſcheidung.
war, erhielt ſie von der Armendirektion von Neuem eine
kleine, mehr als duͤrftige Unterſtuͤtzung.
Das iſt das ewige Geſchick des Armen. Die Wohl¬
thaͤtigkeit iſt nur eine Grauſamkeit, die ihn im Elend
erhaͤlt und durch das Gefuͤhl ſeiner huͤlfloſen, jedem Ver¬
ſuch eigner Erhebung trotzenden Abhaͤngigkeit entwuͤrdigt
und demoraliſirt.
Einige Zeit ſpaͤter treffen wir jene beiden Weiber wie¬
der, deren Geſpraͤch wir oben ſchon einmal belauſchten.
Sie ſtehen vor einer Hausthuͤr und ſchauen dem ſchwar¬
zen Leichenwagen nach, der einfach und ohne Geleit die
Straße hinabfaͤhrt.
„Gott habe ſie ſelig!“ ſagt die Eine. „Es war doch
eine brave Frau, und es thut mir wahrhaftig leid um
die armen Kinder. Sie haben eine gute und rechtſchaffene
Mutter verloren.“ —
„Ja, Gott verzeih' ihr. Sie hat den dummen
Streich, daß ſie den confiscirten Buͤchermacher geheirathet,
ſchwer genug gebuͤßt! Was aber die Kinder betrifft, nun
ſo iſt ja das eine ſchon verſorgt, und die beiden andern
werden wohl auch noch unterkommen.“
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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/79>, abgerufen am 16.07.2024.
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