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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Polizeiliche Ehescheidung.
ihrem Gatten eintraf, war der Herbst eben angebrochen.
Hier wurden die Anstalten indeß schneller besorgt und die
wiedervereinigten Gatten begannen bald ihre Trennung in
der freudigen Zuversicht auf eine ruhige Zukunft zu ver¬
schmerzen. Aber das Unglück, wenn es einmal ein Opfer
erkoren, läßt sich so leicht nicht von der Spur bringen.

In Pauls Vaterstadt befand sich unter den Ge¬
meindevorständen ein Mann, mit dem Paul zusammen
die Schule und Universität besucht hatte. Die beiden
Gespielen waren einander früh entfremdet worden. Paul
hatte sich von Anfang an mit ausschließlichem Ernst sei¬
nen Studien zugewendet, während der lebhafte Konrad
den Freudenbecher des ungebundenen Studentenlebens bis
auf die Hefe genoß. Sie sahen sich dazumal schon sel¬
ten. Ein tieferes Mißverhältniß entstand aber, als Paul
in Folge eines Zusammentreffens mit einem andern Stu¬
denten sich weigerte, "loszugehen." Konrad hielt ihn von
da an für einen Feigling und Heimtücker, und wenn sich
die früheren Jugendgespielen auf der Straße begegneten,
gingen sie stumm an einander vorüber. Später verloren
sie sich aus den Augen. Paul siedelte nach K., während
Konrad in Staatsdienste trat. Er hatte in der Residenz
einen mächtigen Verwandten, dessen Protektion ihn eine

Polizeiliche Eheſcheidung.
ihrem Gatten eintraf, war der Herbſt eben angebrochen.
Hier wurden die Anſtalten indeß ſchneller beſorgt und die
wiedervereinigten Gatten begannen bald ihre Trennung in
der freudigen Zuverſicht auf eine ruhige Zukunft zu ver¬
ſchmerzen. Aber das Ungluͤck, wenn es einmal ein Opfer
erkoren, laͤßt ſich ſo leicht nicht von der Spur bringen.

In Pauls Vaterſtadt befand ſich unter den Ge¬
meindevorſtaͤnden ein Mann, mit dem Paul zuſammen
die Schule und Univerſitaͤt beſucht hatte. Die beiden
Geſpielen waren einander fruͤh entfremdet worden. Paul
hatte ſich von Anfang an mit ausſchließlichem Ernſt ſei¬
nen Studien zugewendet, waͤhrend der lebhafte Konrad
den Freudenbecher des ungebundenen Studentenlebens bis
auf die Hefe genoß. Sie ſahen ſich dazumal ſchon ſel¬
ten. Ein tieferes Mißverhaͤltniß entſtand aber, als Paul
in Folge eines Zuſammentreffens mit einem andern Stu¬
denten ſich weigerte, „loszugehen.“ Konrad hielt ihn von
da an fuͤr einen Feigling und Heimtuͤcker, und wenn ſich
die fruͤheren Jugendgeſpielen auf der Straße begegneten,
gingen ſie ſtumm an einander voruͤber. Spaͤter verloren
ſie ſich aus den Augen. Paul ſiedelte nach K., waͤhrend
Konrad in Staatsdienſte trat. Er hatte in der Reſidenz
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[57/0071] Polizeiliche Eheſcheidung. ihrem Gatten eintraf, war der Herbſt eben angebrochen. Hier wurden die Anſtalten indeß ſchneller beſorgt und die wiedervereinigten Gatten begannen bald ihre Trennung in der freudigen Zuverſicht auf eine ruhige Zukunft zu ver¬ ſchmerzen. Aber das Ungluͤck, wenn es einmal ein Opfer erkoren, laͤßt ſich ſo leicht nicht von der Spur bringen. In Pauls Vaterſtadt befand ſich unter den Ge¬ meindevorſtaͤnden ein Mann, mit dem Paul zuſammen die Schule und Univerſitaͤt beſucht hatte. Die beiden Geſpielen waren einander fruͤh entfremdet worden. Paul hatte ſich von Anfang an mit ausſchließlichem Ernſt ſei¬ nen Studien zugewendet, waͤhrend der lebhafte Konrad den Freudenbecher des ungebundenen Studentenlebens bis auf die Hefe genoß. Sie ſahen ſich dazumal ſchon ſel¬ ten. Ein tieferes Mißverhaͤltniß entſtand aber, als Paul in Folge eines Zuſammentreffens mit einem andern Stu¬ denten ſich weigerte, „loszugehen.“ Konrad hielt ihn von da an fuͤr einen Feigling und Heimtuͤcker, und wenn ſich die fruͤheren Jugendgeſpielen auf der Straße begegneten, gingen ſie ſtumm an einander voruͤber. Spaͤter verloren ſie ſich aus den Augen. Paul ſiedelte nach K., waͤhrend Konrad in Staatsdienſte trat. Er hatte in der Reſidenz einen maͤchtigen Verwandten, deſſen Protektion ihn eine

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/71>, abgerufen am 23.11.2024.