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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.

Will Fischer verzog sein Gesicht zu einem sonderba¬
ren Lächeln und drückte seine Hände fest in die Taschen.

"So," sagte er, "Du brauchst morgen zehn Thaler
-- mußt sie haben, wie man so sagt -- unter jeder
Bedingung." --

"Ja, ich muß sie haben, unter jeder Bedingung.
Ich weiß nicht, was ich sonst thun würde, aber den
Jammer daheim würd' ich nicht erleben! Zehn Tha¬
ler, Will -- es ist ja nicht so viel, und uns kann es
jetzt retten. Gott wird es dir lohnen, Will!" --

"Ja, Gott wird es mir lohnen und der Teufel
den Segen drüber sprechen. Ich könnte nachher sehen,
wie ich's wieder einbrächte, und für Dich wär's auch
nur auf ein paar Tage. Uebrigens laß uns jetzt nur
nach der Kneipe gehen, da können wir weiter davon
sprechen. Ich habe zwar selbst das Geld nicht, viel¬
leicht läßt sich aber noch anderer Rath schaffen." --

Sie schritten wieder fort. Will Fischer führte den
Handwerker durch mehrere kleine Nebenstraßen, bis sie
zuletzt vor dem Schlußgebäude einer engen Sackgasse
ankamen.

"Das da ist ein neues Bureau!" sagte er, auf
das Kneipenschild über einer Kellerwohnung zeigend. "Es

Armuth und Verbrechen.

Will Fiſcher verzog ſein Geſicht zu einem ſonderba¬
ren Laͤcheln und druͤckte ſeine Haͤnde feſt in die Taſchen.

„So,“ ſagte er, „Du brauchſt morgen zehn Thaler
mußt ſie haben, wie man ſo ſagt — unter jeder
Bedingung.“ —

„Ja, ich muß ſie haben, unter jeder Bedingung.
Ich weiß nicht, was ich ſonſt thun wuͤrde, aber den
Jammer daheim wuͤrd' ich nicht erleben! Zehn Tha¬
ler, Will — es iſt ja nicht ſo viel, und uns kann es
jetzt retten. Gott wird es dir lohnen, Will!“ —

„Ja, Gott wird es mir lohnen und der Teufel
den Segen druͤber ſprechen. Ich koͤnnte nachher ſehen,
wie ich's wieder einbraͤchte, und fuͤr Dich waͤr's auch
nur auf ein paar Tage. Uebrigens laß uns jetzt nur
nach der Kneipe gehen, da koͤnnen wir weiter davon
ſprechen. Ich habe zwar ſelbſt das Geld nicht, viel¬
leicht laͤßt ſich aber noch anderer Rath ſchaffen.“ —

Sie ſchritten wieder fort. Will Fiſcher fuͤhrte den
Handwerker durch mehrere kleine Nebenſtraßen, bis ſie
zuletzt vor dem Schlußgebaͤude einer engen Sackgaſſe
ankamen.

„Das da iſt ein neues Bureau!“ ſagte er, auf
das Kneipenſchild uͤber einer Kellerwohnung zeigend. „Es

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[28/0042] Armuth und Verbrechen. Will Fiſcher verzog ſein Geſicht zu einem ſonderba¬ ren Laͤcheln und druͤckte ſeine Haͤnde feſt in die Taſchen. „So,“ ſagte er, „Du brauchſt morgen zehn Thaler — mußt ſie haben, wie man ſo ſagt — unter jeder Bedingung.“ — „Ja, ich muß ſie haben, unter jeder Bedingung. Ich weiß nicht, was ich ſonſt thun wuͤrde, aber den Jammer daheim wuͤrd' ich nicht erleben! Zehn Tha¬ ler, Will — es iſt ja nicht ſo viel, und uns kann es jetzt retten. Gott wird es dir lohnen, Will!“ — „Ja, Gott wird es mir lohnen und der Teufel den Segen druͤber ſprechen. Ich koͤnnte nachher ſehen, wie ich's wieder einbraͤchte, und fuͤr Dich waͤr's auch nur auf ein paar Tage. Uebrigens laß uns jetzt nur nach der Kneipe gehen, da koͤnnen wir weiter davon ſprechen. Ich habe zwar ſelbſt das Geld nicht, viel¬ leicht laͤßt ſich aber noch anderer Rath ſchaffen.“ — Sie ſchritten wieder fort. Will Fiſcher fuͤhrte den Handwerker durch mehrere kleine Nebenſtraßen, bis ſie zuletzt vor dem Schlußgebaͤude einer engen Sackgaſſe ankamen. „Das da iſt ein neues Bureau!“ ſagte er, auf das Kneipenſchild uͤber einer Kellerwohnung zeigend. „Es

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/42>, abgerufen am 23.11.2024.