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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.
Du siehst nicht aus, als ob Du einen Freundschafts¬
dienst zurückstoßen würdest."

"Ja, es geht mir schlecht genug!" murmelte
dumpf der Unglückliche. "Keine Arbeit und kein Ver¬
dienst mehr, Gott weiß, wie das enden wird. Ich
habe seit vorgestern nichts mehr gegessen!" --

"Komm mit," sagte der Andere mit rauhem Mit¬
leid. "Ich weiß da in der Nähe einen Ort für unser
Einen, wo Du Dich füttern kannst." --

Schenk folgte ihm mechanisch, ohne ein Wort zu
sagen. Plötzlich aber blieb er stehen, sein Auge belebte
sich, wie von einem glücklichen Gedanken beseelt, und
er hielt seinen Gefährten am Arm fest, indem er ihn
ängstlich forschend betrachtete.

"Will Fischer," sagte er mit bangem Ton, "es
geht Dir gut, ich sehe Dir es an. Du meinst es
auch gut mit mir, denn Du willst mir eben zu essen
geben. Hilf mir daher ganz -- wenn Du kannst, leihe
mir zehn Thaler. Ich muß morgen meine rückständige
Miethe bezahlen, oder ich werde mit meiner Frau und
einem kranken Kinde nackt und bloß auf die Straße
gestoßen. Ich bin verloren, Will, wenn Du mir nicht
hilfst!" --

Armuth und Verbrechen.
Du ſiehſt nicht aus, als ob Du einen Freundſchafts¬
dienſt zuruͤckſtoßen wuͤrdeſt.“

„Ja, es geht mir ſchlecht genug!“ murmelte
dumpf der Ungluͤckliche. „Keine Arbeit und kein Ver¬
dienſt mehr, Gott weiß, wie das enden wird. Ich
habe ſeit vorgeſtern nichts mehr gegeſſen!“ —

„Komm mit,“ ſagte der Andere mit rauhem Mit¬
leid. „Ich weiß da in der Naͤhe einen Ort fuͤr unſer
Einen, wo Du Dich fuͤttern kannſt.“ —

Schenk folgte ihm mechaniſch, ohne ein Wort zu
ſagen. Ploͤtzlich aber blieb er ſtehen, ſein Auge belebte
ſich, wie von einem gluͤcklichen Gedanken beſeelt, und
er hielt ſeinen Gefaͤhrten am Arm feſt, indem er ihn
aͤngſtlich forſchend betrachtete.

„Will Fiſcher,“ ſagte er mit bangem Ton, „es
geht Dir gut, ich ſehe Dir es an. Du meinſt es
auch gut mit mir, denn Du willſt mir eben zu eſſen
geben. Hilf mir daher ganz — wenn Du kannſt, leihe
mir zehn Thaler. Ich muß morgen meine ruͤckſtaͤndige
Miethe bezahlen, oder ich werde mit meiner Frau und
einem kranken Kinde nackt und bloß auf die Straße
geſtoßen. Ich bin verloren, Will, wenn Du mir nicht
hilfſt!“ —

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[27/0041] Armuth und Verbrechen. Du ſiehſt nicht aus, als ob Du einen Freundſchafts¬ dienſt zuruͤckſtoßen wuͤrdeſt.“ „Ja, es geht mir ſchlecht genug!“ murmelte dumpf der Ungluͤckliche. „Keine Arbeit und kein Ver¬ dienſt mehr, Gott weiß, wie das enden wird. Ich habe ſeit vorgeſtern nichts mehr gegeſſen!“ — „Komm mit,“ ſagte der Andere mit rauhem Mit¬ leid. „Ich weiß da in der Naͤhe einen Ort fuͤr unſer Einen, wo Du Dich fuͤttern kannſt.“ — Schenk folgte ihm mechaniſch, ohne ein Wort zu ſagen. Ploͤtzlich aber blieb er ſtehen, ſein Auge belebte ſich, wie von einem gluͤcklichen Gedanken beſeelt, und er hielt ſeinen Gefaͤhrten am Arm feſt, indem er ihn aͤngſtlich forſchend betrachtete. „Will Fiſcher,“ ſagte er mit bangem Ton, „es geht Dir gut, ich ſehe Dir es an. Du meinſt es auch gut mit mir, denn Du willſt mir eben zu eſſen geben. Hilf mir daher ganz — wenn Du kannſt, leihe mir zehn Thaler. Ich muß morgen meine ruͤckſtaͤndige Miethe bezahlen, oder ich werde mit meiner Frau und einem kranken Kinde nackt und bloß auf die Straße geſtoßen. Ich bin verloren, Will, wenn Du mir nicht hilfſt!“ —

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/41>, abgerufen am 27.11.2024.