Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Unvermeidliche.
Leiden und harte Erfahrungen hatten ihn, wie er selbst
sagte, früh mürbe gemacht. Er hatte sich an Aurelio
so angeschlossen, wie das in gewissen Jahren zu gesche¬
hen pflegt, und der Kunstreiter nahm die Zuneigung des
Fremden ebenso, oder wie einen Tribut auf. Der
Fremde hatte ihn bald auch auf seinem abendlichen Gange
begleitet, und stand während des Zusammenseins der bei¬
den Verliebten auf Wache. Allmählig hatten Aurelio
und der Fremde ausführlicher und ernster über dies Ver¬
hältniß gesprochen. Als nach einem solchen Gespräch
der Fremde gesagt hatte: "Ein Mann wie Sie findet
überall seine Stellung", und Aurelio darauf erwiederte:
"Ja, aber wie soll ich von hier dahin kommen?" sagte
der Erstere, daß er zu jeder Zeit Pässe verschaffen könne,
und fügte dann hinzu:

"Uebrigens wäre es dann hohe Zeit, denn wer weiß,
wenn der Alte uns über den Hals kommt!" --

Eines Abends standen die beiden Liebenden wieder
an der Gartenmauer und Aurelio mußte von Scheiden
gesprochen und dem Mädchen Vorwürfe gemacht haben,
denn als der Mond eben aufging, beleuchtete er ihr
th[r]änenfeuchtes Antlitz. Darauf hatte sie angefangen,
von seinem Pferde zu sprechen. Aurelio klopfte dem

Das Unvermeidliche.
Leiden und harte Erfahrungen hatten ihn, wie er ſelbſt
ſagte, fruͤh muͤrbe gemacht. Er hatte ſich an Aurelio
ſo angeſchloſſen, wie das in gewiſſen Jahren zu geſche¬
hen pflegt, und der Kunſtreiter nahm die Zuneigung des
Fremden ebenſo, oder wie einen Tribut auf. Der
Fremde hatte ihn bald auch auf ſeinem abendlichen Gange
begleitet, und ſtand waͤhrend des Zuſammenſeins der bei¬
den Verliebten auf Wache. Allmaͤhlig hatten Aurelio
und der Fremde ausfuͤhrlicher und ernſter uͤber dies Ver¬
haͤltniß geſprochen. Als nach einem ſolchen Geſpraͤch
der Fremde geſagt hatte: „Ein Mann wie Sie findet
uͤberall ſeine Stellung“, und Aurelio darauf erwiederte:
„Ja, aber wie ſoll ich von hier dahin kommen?“ ſagte
der Erſtere, daß er zu jeder Zeit Paͤſſe verſchaffen koͤnne,
und fuͤgte dann hinzu:

„Uebrigens waͤre es dann hohe Zeit, denn wer weiß,
wenn der Alte uns uͤber den Hals kommt!“ —

Eines Abends ſtanden die beiden Liebenden wieder
an der Gartenmauer und Aurelio mußte von Scheiden
geſprochen und dem Maͤdchen Vorwuͤrfe gemacht haben,
denn als der Mond eben aufging, beleuchtete er ihr
th[r]aͤnenfeuchtes Antlitz. Darauf hatte ſie angefangen,
von ſeinem Pferde zu ſprechen. Aurelio klopfte dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="194"/><fw place="top" type="header">Das Unvermeidliche.<lb/></fw>Leiden und harte Erfahrungen hatten ihn, wie er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;agte, fru&#x0364;h mu&#x0364;rbe gemacht. Er hatte &#x017F;ich an Aurelio<lb/>
&#x017F;o ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, wie das in gewi&#x017F;&#x017F;en Jahren zu ge&#x017F;che¬<lb/>
hen pflegt, und der Kun&#x017F;treiter nahm die Zuneigung des<lb/>
Fremden eben&#x017F;o, oder wie einen Tribut auf. Der<lb/>
Fremde hatte ihn bald auch auf &#x017F;einem abendlichen Gange<lb/>
begleitet, und &#x017F;tand wa&#x0364;hrend des Zu&#x017F;ammen&#x017F;eins der bei¬<lb/>
den Verliebten auf Wache. Allma&#x0364;hlig hatten Aurelio<lb/>
und der Fremde ausfu&#x0364;hrlicher und ern&#x017F;ter u&#x0364;ber dies Ver¬<lb/>
ha&#x0364;ltniß ge&#x017F;prochen. Als nach einem &#x017F;olchen Ge&#x017F;pra&#x0364;ch<lb/>
der Fremde ge&#x017F;agt hatte: &#x201E;Ein Mann wie Sie findet<lb/>
u&#x0364;berall &#x017F;eine Stellung&#x201C;, und Aurelio darauf erwiederte:<lb/>
&#x201E;Ja, aber wie &#x017F;oll ich von hier dahin kommen?&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
der Er&#x017F;tere, daß er zu jeder Zeit Pa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;chaffen ko&#x0364;nne,<lb/>
und fu&#x0364;gte dann hinzu:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Uebrigens wa&#x0364;re es dann hohe Zeit, denn wer weiß,<lb/>
wenn der Alte uns u&#x0364;ber den Hals kommt!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Eines Abends &#x017F;tanden die beiden Liebenden wieder<lb/>
an der Gartenmauer und Aurelio mußte von Scheiden<lb/>
ge&#x017F;prochen und dem Ma&#x0364;dchen Vorwu&#x0364;rfe gemacht haben,<lb/>
denn als der Mond eben aufging, beleuchtete er ihr<lb/>
th<supplied>r</supplied>a&#x0364;nenfeuchtes Antlitz. Darauf hatte &#x017F;ie angefangen,<lb/>
von &#x017F;einem Pferde zu &#x017F;prechen. Aurelio klopfte dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0208] Das Unvermeidliche. Leiden und harte Erfahrungen hatten ihn, wie er ſelbſt ſagte, fruͤh muͤrbe gemacht. Er hatte ſich an Aurelio ſo angeſchloſſen, wie das in gewiſſen Jahren zu geſche¬ hen pflegt, und der Kunſtreiter nahm die Zuneigung des Fremden ebenſo, oder wie einen Tribut auf. Der Fremde hatte ihn bald auch auf ſeinem abendlichen Gange begleitet, und ſtand waͤhrend des Zuſammenſeins der bei¬ den Verliebten auf Wache. Allmaͤhlig hatten Aurelio und der Fremde ausfuͤhrlicher und ernſter uͤber dies Ver¬ haͤltniß geſprochen. Als nach einem ſolchen Geſpraͤch der Fremde geſagt hatte: „Ein Mann wie Sie findet uͤberall ſeine Stellung“, und Aurelio darauf erwiederte: „Ja, aber wie ſoll ich von hier dahin kommen?“ ſagte der Erſtere, daß er zu jeder Zeit Paͤſſe verſchaffen koͤnne, und fuͤgte dann hinzu: „Uebrigens waͤre es dann hohe Zeit, denn wer weiß, wenn der Alte uns uͤber den Hals kommt!“ — Eines Abends ſtanden die beiden Liebenden wieder an der Gartenmauer und Aurelio mußte von Scheiden geſprochen und dem Maͤdchen Vorwuͤrfe gemacht haben, denn als der Mond eben aufging, beleuchtete er ihr thraͤnenfeuchtes Antlitz. Darauf hatte ſie angefangen, von ſeinem Pferde zu ſprechen. Aurelio klopfte dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/208
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/208>, abgerufen am 23.12.2024.