Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Unvermeidliche.
Rolle spielte sie an der Seite dieses Mannes, der seine
eigne Ehre nicht einmal zu wahren wußte? War sie
nicht zugleich mit ihm geflohen und verstoßen von Allen?

Das Verhältniß wurde immer lockerer, bis sie es zu¬
letzt ganz löste. Sie verließ ihn.

Dieser Schlag stürzte Heinrich vollends in die tiefste
Verzweiflung. Verachtet von seinen Freunden, verstoßen
aus der Gesellschaft, verlassen von seiner Geliebten, --
was blieb da noch vom Leben? Mehrere Tage lang
verschloß er sich in sein Zimmer und kämpfte mit dü¬
stern, verzweiflungsvollen Gedanken. In der Nacht vom
dritten auf den vierten Tag nach Empfang des Scheide¬
briefs hallte ein Schuß in seinem Zimmer und schreckte
die Hausbewohner aus dem Schlaf. Als sie seine Thür
erbrachen, fanden sie ihn im Blut schwimmend. Er
hatte sich eine Kugel durchs Herz geschossen.


Der Polizeidirektor W. war nach diesem neuen
Unglücksfall in seiner Familie von einer heftigen Krank¬
heit ergriffen worden, über deren Verlauf in der Stadt
sehr seltsame Gerüchte umliefen. Daß er bei seiner

Das Unvermeidliche.
Rolle ſpielte ſie an der Seite dieſes Mannes, der ſeine
eigne Ehre nicht einmal zu wahren wußte? War ſie
nicht zugleich mit ihm geflohen und verſtoßen von Allen?

Das Verhaͤltniß wurde immer lockerer, bis ſie es zu¬
letzt ganz loͤſte. Sie verließ ihn.

Dieſer Schlag ſtuͤrzte Heinrich vollends in die tiefſte
Verzweiflung. Verachtet von ſeinen Freunden, verſtoßen
aus der Geſellſchaft, verlaſſen von ſeiner Geliebten, —
was blieb da noch vom Leben? Mehrere Tage lang
verſchloß er ſich in ſein Zimmer und kaͤmpfte mit duͤ¬
ſtern, verzweiflungsvollen Gedanken. In der Nacht vom
dritten auf den vierten Tag nach Empfang des Scheide¬
briefs hallte ein Schuß in ſeinem Zimmer und ſchreckte
die Hausbewohner aus dem Schlaf. Als ſie ſeine Thuͤr
erbrachen, fanden ſie ihn im Blut ſchwimmend. Er
hatte ſich eine Kugel durchs Herz geſchoſſen.


Der Polizeidirektor W. war nach dieſem neuen
Ungluͤcksfall in ſeiner Familie von einer heftigen Krank¬
heit ergriffen worden, uͤber deren Verlauf in der Stadt
ſehr ſeltſame Geruͤchte umliefen. Daß er bei ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="186"/><fw place="top" type="header">Das Unvermeidliche.<lb/></fw>Rolle &#x017F;pielte &#x017F;ie an der Seite die&#x017F;es Mannes, der &#x017F;eine<lb/>
eigne Ehre nicht einmal zu wahren wußte? War &#x017F;ie<lb/>
nicht zugleich mit ihm geflohen und ver&#x017F;toßen von Allen?</p><lb/>
        <p>Das Verha&#x0364;ltniß wurde immer lockerer, bis &#x017F;ie es zu¬<lb/>
letzt ganz lo&#x0364;&#x017F;te. Sie verließ ihn.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er Schlag &#x017F;tu&#x0364;rzte Heinrich vollends in die tief&#x017F;te<lb/>
Verzweiflung. Verachtet von &#x017F;einen Freunden, ver&#x017F;toßen<lb/>
aus der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, verla&#x017F;&#x017F;en von &#x017F;einer Geliebten, &#x2014;<lb/>
was blieb da noch vom Leben? Mehrere Tage lang<lb/>
ver&#x017F;chloß er &#x017F;ich in &#x017F;ein Zimmer und ka&#x0364;mpfte mit du&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;tern, verzweiflungsvollen Gedanken. In der Nacht vom<lb/>
dritten auf den vierten Tag nach Empfang des Scheide¬<lb/>
briefs hallte ein Schuß in &#x017F;einem Zimmer und &#x017F;chreckte<lb/>
die Hausbewohner aus dem Schlaf. Als &#x017F;ie &#x017F;eine Thu&#x0364;r<lb/>
erbrachen, fanden &#x017F;ie ihn im Blut &#x017F;chwimmend. Er<lb/>
hatte &#x017F;ich eine Kugel durchs Herz ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Der Polizeidirektor W. war nach die&#x017F;em neuen<lb/>
Unglu&#x0364;cksfall in &#x017F;einer Familie von einer heftigen Krank¬<lb/>
heit ergriffen worden, u&#x0364;ber deren Verlauf in der Stadt<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;elt&#x017F;ame Geru&#x0364;chte umliefen. Daß er bei &#x017F;einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0200] Das Unvermeidliche. Rolle ſpielte ſie an der Seite dieſes Mannes, der ſeine eigne Ehre nicht einmal zu wahren wußte? War ſie nicht zugleich mit ihm geflohen und verſtoßen von Allen? Das Verhaͤltniß wurde immer lockerer, bis ſie es zu¬ letzt ganz loͤſte. Sie verließ ihn. Dieſer Schlag ſtuͤrzte Heinrich vollends in die tiefſte Verzweiflung. Verachtet von ſeinen Freunden, verſtoßen aus der Geſellſchaft, verlaſſen von ſeiner Geliebten, — was blieb da noch vom Leben? Mehrere Tage lang verſchloß er ſich in ſein Zimmer und kaͤmpfte mit duͤ¬ ſtern, verzweiflungsvollen Gedanken. In der Nacht vom dritten auf den vierten Tag nach Empfang des Scheide¬ briefs hallte ein Schuß in ſeinem Zimmer und ſchreckte die Hausbewohner aus dem Schlaf. Als ſie ſeine Thuͤr erbrachen, fanden ſie ihn im Blut ſchwimmend. Er hatte ſich eine Kugel durchs Herz geſchoſſen. Der Polizeidirektor W. war nach dieſem neuen Ungluͤcksfall in ſeiner Familie von einer heftigen Krank¬ heit ergriffen worden, uͤber deren Verlauf in der Stadt ſehr ſeltſame Geruͤchte umliefen. Daß er bei ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/200
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/200>, abgerufen am 27.11.2024.