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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Das Unvermeidliche.

In einem Verlauf von fünf Jahren ändert sich
Vieles, und derjenige, welcher nach einem solchen Zeit¬
raum, ohne Verbindungen unterhalten zu haben, in seine
Heimath zurückkehrt, sucht Manches vergebens, was er
einst blühend und hoffnungsvoll verlassen, und findet
eben so viel Neues, dem er fremd ist.

Auch Arthur empfand die ganze Bitterkeit dieses
Eindrucks, als er sich einsam und fremd nach fünf Jah¬
ren in seiner Heimathstadt wiederfand. Sein Vater war
im Gefängniß gestorben. Sein und der Seinigen Schick¬
sal hatte die geistige Kraft des sonst so starken Mannes
gebrochen, und die Krankheit seiner Seele sowie der
Aufenthalt in dem feuchten, dumpfigen Kerker auch den
Nerv seines Lebens zernagt. Die Aerzte, die er ganz
zuletzt erst erhalten, hatten aufs Eindringlichste freie Be¬
wegung und Veränderung seines Aufenthalts verordnet,
aber der Instruktions-Richter wollte davon nichts wissen.
Als es den Bemühungen der Aerzte dennoch gelang, vom
Obergericht den Befehl zu erwirken, daß der Gefangene
in seinem eigenen Hause bewacht werden solle: mußte der
Untersuchungs-Richter zwar der Weisung für den Augen¬
blick Folge leisten, allein er sendete sogleich einen Bericht
an das Ministerium, in Folge dessen der Direktor des

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Das Unvermeidliche.

In einem Verlauf von fuͤnf Jahren aͤndert ſich
Vieles, und derjenige, welcher nach einem ſolchen Zeit¬
raum, ohne Verbindungen unterhalten zu haben, in ſeine
Heimath zuruͤckkehrt, ſucht Manches vergebens, was er
einſt bluͤhend und hoffnungsvoll verlaſſen, und findet
eben ſo viel Neues, dem er fremd iſt.

Auch Arthur empfand die ganze Bitterkeit dieſes
Eindrucks, als er ſich einſam und fremd nach fuͤnf Jah¬
ren in ſeiner Heimathſtadt wiederfand. Sein Vater war
im Gefaͤngniß geſtorben. Sein und der Seinigen Schick¬
ſal hatte die geiſtige Kraft des ſonſt ſo ſtarken Mannes
gebrochen, und die Krankheit ſeiner Seele ſowie der
Aufenthalt in dem feuchten, dumpfigen Kerker auch den
Nerv ſeines Lebens zernagt. Die Aerzte, die er ganz
zuletzt erſt erhalten, hatten aufs Eindringlichſte freie Be¬
wegung und Veraͤnderung ſeines Aufenthalts verordnet,
aber der Inſtruktions-Richter wollte davon nichts wiſſen.
Als es den Bemuͤhungen der Aerzte dennoch gelang, vom
Obergericht den Befehl zu erwirken, daß der Gefangene
in ſeinem eigenen Hauſe bewacht werden ſolle: mußte der
Unterſuchungs-Richter zwar der Weiſung fuͤr den Augen¬
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[177/0191] Das Unvermeidliche. In einem Verlauf von fuͤnf Jahren aͤndert ſich Vieles, und derjenige, welcher nach einem ſolchen Zeit¬ raum, ohne Verbindungen unterhalten zu haben, in ſeine Heimath zuruͤckkehrt, ſucht Manches vergebens, was er einſt bluͤhend und hoffnungsvoll verlaſſen, und findet eben ſo viel Neues, dem er fremd iſt. Auch Arthur empfand die ganze Bitterkeit dieſes Eindrucks, als er ſich einſam und fremd nach fuͤnf Jah¬ ren in ſeiner Heimathſtadt wiederfand. Sein Vater war im Gefaͤngniß geſtorben. Sein und der Seinigen Schick¬ ſal hatte die geiſtige Kraft des ſonſt ſo ſtarken Mannes gebrochen, und die Krankheit ſeiner Seele ſowie der Aufenthalt in dem feuchten, dumpfigen Kerker auch den Nerv ſeines Lebens zernagt. Die Aerzte, die er ganz zuletzt erſt erhalten, hatten aufs Eindringlichſte freie Be¬ wegung und Veraͤnderung ſeines Aufenthalts verordnet, aber der Inſtruktions-Richter wollte davon nichts wiſſen. Als es den Bemuͤhungen der Aerzte dennoch gelang, vom Obergericht den Befehl zu erwirken, daß der Gefangene in ſeinem eigenen Hauſe bewacht werden ſolle: mußte der Unterſuchungs-Richter zwar der Weiſung fuͤr den Augen¬ blick Folge leiſten, allein er ſendete ſogleich einen Bericht an das Miniſterium, in Folge deſſen der Direktor des 12

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/191>, abgerufen am 23.11.2024.