Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Das Unvermeidliche. "Wenn ihm wirklich Unrecht widerfahren ist," ver¬ "Das sind Phrasen, mein Lieber!" sagte der Andere. "Wenn Du die Sache nicht zu vertheidigen ver¬ Das Unvermeidliche. „Wenn ihm wirklich Unrecht widerfahren iſt,“ ver¬ „Das ſind Phraſen, mein Lieber!“ ſagte der Andere. „Wenn Du die Sache nicht zu vertheidigen ver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0170" n="156"/> <fw place="top" type="header">Das Unvermeidliche.<lb/></fw> <p>„Wenn ihm wirklich Unrecht widerfahren iſt,“ ver¬<lb/> ſetzte Arthur, „ſo kann er ſich deſto eher in dem Be¬<lb/> wußtſein ſeiner Unſchuld troͤſten. Durch einen eigenmaͤch¬<lb/> tigen Racheakt aber wird er ſeine Sache nur in ein<lb/> zweifelhaftes Licht ſtellen.“ —</p><lb/> <p>„Das ſind Phraſen, mein Lieber!“ ſagte der Andere.<lb/> „Erlittenes Unrecht kraͤnkt am tiefſten, es verwindet das<lb/> kein Menſch ſo leicht. Im Gegentheil moͤchte ein Rache¬<lb/> akt weit eher auf die Unſchuld des fruͤher Verletzten<lb/> ſchließen laſſen; denn im Bewußtſein ſeiner ſelbſtverſchul¬<lb/> deten Strafe wird er gewiß in ſeinem Innern weniger<lb/> Veranlaſſung zu Haß und Rache gegen den Vollſtrecker<lb/> finden, er wird vielmehr Beſchaͤmung oder im ſchlimm¬<lb/> ſten Fall Zorn uͤber ſein Mißgeſchick fuͤhlen. Deine<lb/> Moralbegriffe oder die Strafbeſtimmungen des Geſetzes<lb/> koͤnnen keinen Maßſtab fuͤr eine ſolche pſychologiſch be¬<lb/> gruͤndete That abgeben. Sie laͤßt ſich dagegen auch<lb/> ebenſo wenig entſchuldigen; aber der Trieb liegt nun ein¬<lb/> mal in der Menſchennatur.“ —</p><lb/> <p>„Wenn Du die Sache nicht zu vertheidigen ver¬<lb/> magſt,“ rief Arthur, „ſo iſt das ein ſchlechter Einwurf<lb/> mit dem Suͤndenbock der Menſchennatur. Es muß jeder<lb/> ſo viel Kraft in ſich haben, den Trieb, den er nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0170]
Das Unvermeidliche.
„Wenn ihm wirklich Unrecht widerfahren iſt,“ ver¬
ſetzte Arthur, „ſo kann er ſich deſto eher in dem Be¬
wußtſein ſeiner Unſchuld troͤſten. Durch einen eigenmaͤch¬
tigen Racheakt aber wird er ſeine Sache nur in ein
zweifelhaftes Licht ſtellen.“ —
„Das ſind Phraſen, mein Lieber!“ ſagte der Andere.
„Erlittenes Unrecht kraͤnkt am tiefſten, es verwindet das
kein Menſch ſo leicht. Im Gegentheil moͤchte ein Rache¬
akt weit eher auf die Unſchuld des fruͤher Verletzten
ſchließen laſſen; denn im Bewußtſein ſeiner ſelbſtverſchul¬
deten Strafe wird er gewiß in ſeinem Innern weniger
Veranlaſſung zu Haß und Rache gegen den Vollſtrecker
finden, er wird vielmehr Beſchaͤmung oder im ſchlimm¬
ſten Fall Zorn uͤber ſein Mißgeſchick fuͤhlen. Deine
Moralbegriffe oder die Strafbeſtimmungen des Geſetzes
koͤnnen keinen Maßſtab fuͤr eine ſolche pſychologiſch be¬
gruͤndete That abgeben. Sie laͤßt ſich dagegen auch
ebenſo wenig entſchuldigen; aber der Trieb liegt nun ein¬
mal in der Menſchennatur.“ —
„Wenn Du die Sache nicht zu vertheidigen ver¬
magſt,“ rief Arthur, „ſo iſt das ein ſchlechter Einwurf
mit dem Suͤndenbock der Menſchennatur. Es muß jeder
ſo viel Kraft in ſich haben, den Trieb, den er nicht
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Zitationshilfe: | Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/170>, abgerufen am 07.07.2024. |