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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die vorgesetzte Dienstbehörde.
noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬
mehr seine Erzählung.


"In dem Hause, wo ich seit meiner Beschäftigung
beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeschoß auch
ein armer Schuster, eigentlich wohl nur ein Flickschuster
zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit
für seine Kunden zu besorgen. Ich war beim Ein- und
A[us]gehen schon auf ihn aufmerksam geworden, da ich
ihn bei seinem höchst kümmerlichen Verdienst immer sin¬
gend und guter Dinge fand; später erbot er sich mir zur
Aufwartung, und so wurde ich genauer mit ihm bekannt.
Es war eine drollige humoristische Figur, mit einem
überraschend schlagenden Witz begabt, und dabei von un¬
gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewöhnlich
jeden Morgen längere Zeit mit ihm, eigentlich um mich
an seinen Späßen und seiner ganzen drolligen Weise zu
ergetzen, aber ich mußte bald auch seinen wißbegierigen
Ernst bewundern, und gestehe, daß mich dieser arme
Teufel aus dem Volk manchmal durch seine Fragen in
Verlegenheit gesetzt hat. Dabei hatte er einen so richti¬

Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde.
noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬
mehr ſeine Erzaͤhlung.


„In dem Hauſe, wo ich ſeit meiner Beſchaͤftigung
beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeſchoß auch
ein armer Schuſter, eigentlich wohl nur ein Flickſchuſter
zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit
fuͤr ſeine Kunden zu beſorgen. Ich war beim Ein- und
A[us]gehen ſchon auf ihn aufmerkſam geworden, da ich
ihn bei ſeinem hoͤchſt kuͤmmerlichen Verdienſt immer ſin¬
gend und guter Dinge fand; ſpaͤter erbot er ſich mir zur
Aufwartung, und ſo wurde ich genauer mit ihm bekannt.
Es war eine drollige humoriſtiſche Figur, mit einem
uͤberraſchend ſchlagenden Witz begabt, und dabei von un¬
gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewoͤhnlich
jeden Morgen laͤngere Zeit mit ihm, eigentlich um mich
an ſeinen Spaͤßen und ſeiner ganzen drolligen Weiſe zu
ergetzen, aber ich mußte bald auch ſeinen wißbegierigen
Ernſt bewundern, und geſtehe, daß mich dieſer arme
Teufel aus dem Volk manchmal durch ſeine Fragen in
Verlegenheit geſetzt hat. Dabei hatte er einen ſo richti¬

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[125/0139] Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde. noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬ mehr ſeine Erzaͤhlung. „In dem Hauſe, wo ich ſeit meiner Beſchaͤftigung beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeſchoß auch ein armer Schuſter, eigentlich wohl nur ein Flickſchuſter zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit fuͤr ſeine Kunden zu beſorgen. Ich war beim Ein- und Ausgehen ſchon auf ihn aufmerkſam geworden, da ich ihn bei ſeinem hoͤchſt kuͤmmerlichen Verdienſt immer ſin¬ gend und guter Dinge fand; ſpaͤter erbot er ſich mir zur Aufwartung, und ſo wurde ich genauer mit ihm bekannt. Es war eine drollige humoriſtiſche Figur, mit einem uͤberraſchend ſchlagenden Witz begabt, und dabei von un¬ gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewoͤhnlich jeden Morgen laͤngere Zeit mit ihm, eigentlich um mich an ſeinen Spaͤßen und ſeiner ganzen drolligen Weiſe zu ergetzen, aber ich mußte bald auch ſeinen wißbegierigen Ernſt bewundern, und geſtehe, daß mich dieſer arme Teufel aus dem Volk manchmal durch ſeine Fragen in Verlegenheit geſetzt hat. Dabei hatte er einen ſo richti¬

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/139>, abgerufen am 27.11.2024.