Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Die Rechtsfrage. Nebengasse verschwindet. Gleich darauf stürzt ein Ande¬rer, ein Gensd'arme, aus der Kneipe, sieht eine Strecke weiter unsern Handwerker laufen, und eilt ihm mit zor¬ nigem Eifer nach. Der Mann ist nicht wenig bestürzt, als er sich plötzlich durch eine brutale Faust aus seinen Träumereien geschreckt fühlt. Er sucht den Wächter der öffentlichen Ruhe umsonst zu belehren, daß er im Irr¬ thum ist, die Faust desselben läßt seine Gurgel nicht los, sondern schüttelt ihn nur desto derber, und Schimpfwörter und Drohungen, ihn auf das Stadtgefängniß zu schlep¬ pen, schallen in sein Ohr. Dem Handwerker wird das zuletzt zu arg. Er stößt den Arm des Gensd'armen kräftig zurück und seßt sich zur Wehr. Da zieht dieser denn seine Waffe, und kaum hat der Handwerker Zeit, seinen Kopf mit dem Arm zu schützen, so fallen auch schon rasch nacheinander zwei scharfe Hiebe auf ihn her¬ ab. Der Arm ist ihm gestern abgenommen worden, aber der Oberarzt in der Klinik meinte gleich, daß er die Am¬ putation schwerlich überstehen würde, und so wie ich ihn heute bei der Inspektion fand, wird er allem Voraus¬ sehen nach den morgenden Tag nicht mehr erleben. Viel¬ leicht während wir sprechen, ist er todt." -- "Abscheulich! Entsetzlich!" rief die Dame wieder. Die Rechtsfrage. Nebengaſſe verſchwindet. Gleich darauf ſtuͤrzt ein Ande¬rer, ein Gensd'arme, aus der Kneipe, ſieht eine Strecke weiter unſern Handwerker laufen, und eilt ihm mit zor¬ nigem Eifer nach. Der Mann iſt nicht wenig beſtuͤrzt, als er ſich ploͤtzlich durch eine brutale Fauſt aus ſeinen Traͤumereien geſchreckt fuͤhlt. Er ſucht den Waͤchter der oͤffentlichen Ruhe umſonſt zu belehren, daß er im Irr¬ thum iſt, die Fauſt deſſelben laͤßt ſeine Gurgel nicht los, ſondern ſchuͤttelt ihn nur deſto derber, und Schimpfwoͤrter und Drohungen, ihn auf das Stadtgefaͤngniß zu ſchlep¬ pen, ſchallen in ſein Ohr. Dem Handwerker wird das zuletzt zu arg. Er ſtoͤßt den Arm des Gensd'armen kraͤftig zuruͤck und ſeßt ſich zur Wehr. Da zieht dieſer denn ſeine Waffe, und kaum hat der Handwerker Zeit, ſeinen Kopf mit dem Arm zu ſchuͤtzen, ſo fallen auch ſchon raſch nacheinander zwei ſcharfe Hiebe auf ihn her¬ ab. Der Arm iſt ihm geſtern abgenommen worden, aber der Oberarzt in der Klinik meinte gleich, daß er die Am¬ putation ſchwerlich uͤberſtehen wuͤrde, und ſo wie ich ihn heute bei der Inſpektion fand, wird er allem Voraus¬ ſehen nach den morgenden Tag nicht mehr erleben. Viel¬ leicht waͤhrend wir ſprechen, iſt er todt.“ — „Abſcheulich! Entſetzlich!“ rief die Dame wieder. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0112" n="98"/><fw place="top" type="header">Die Rechtsfrage.<lb/></fw>Nebengaſſe verſchwindet. Gleich darauf ſtuͤrzt ein Ande¬<lb/> rer, ein Gensd'arme, aus der Kneipe, ſieht eine Strecke<lb/> weiter unſern Handwerker laufen, und eilt ihm mit zor¬<lb/> nigem Eifer nach. Der Mann iſt nicht wenig beſtuͤrzt,<lb/> als er ſich ploͤtzlich durch eine brutale Fauſt aus ſeinen<lb/> Traͤumereien geſchreckt fuͤhlt. Er ſucht den Waͤchter der<lb/> oͤffentlichen Ruhe umſonſt zu belehren, daß er im Irr¬<lb/> thum iſt, die Fauſt deſſelben laͤßt ſeine Gurgel nicht los,<lb/> ſondern ſchuͤttelt ihn nur deſto derber, und Schimpfwoͤrter<lb/> und Drohungen, ihn auf das Stadtgefaͤngniß zu ſchlep¬<lb/> pen, ſchallen in ſein Ohr. Dem Handwerker wird das<lb/> zuletzt zu arg. Er ſtoͤßt den Arm des Gensd'armen<lb/> kraͤftig zuruͤck und ſeßt ſich zur Wehr. Da zieht dieſer<lb/> denn ſeine Waffe, und kaum hat der Handwerker Zeit,<lb/> ſeinen Kopf mit dem Arm zu ſchuͤtzen, ſo fallen auch<lb/> ſchon raſch nacheinander zwei ſcharfe Hiebe auf ihn her¬<lb/> ab. Der Arm iſt ihm geſtern abgenommen worden, aber<lb/> der Oberarzt in der Klinik meinte gleich, daß er die Am¬<lb/> putation ſchwerlich uͤberſtehen wuͤrde, und ſo wie ich ihn<lb/> heute bei der Inſpektion fand, wird er allem Voraus¬<lb/> ſehen nach den morgenden Tag nicht mehr erleben. Viel¬<lb/> leicht waͤhrend wir ſprechen, iſt er todt.“ —</p><lb/> <p>„Abſcheulich! Entſetzlich!“ rief die Dame wieder.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0112]
Die Rechtsfrage.
Nebengaſſe verſchwindet. Gleich darauf ſtuͤrzt ein Ande¬
rer, ein Gensd'arme, aus der Kneipe, ſieht eine Strecke
weiter unſern Handwerker laufen, und eilt ihm mit zor¬
nigem Eifer nach. Der Mann iſt nicht wenig beſtuͤrzt,
als er ſich ploͤtzlich durch eine brutale Fauſt aus ſeinen
Traͤumereien geſchreckt fuͤhlt. Er ſucht den Waͤchter der
oͤffentlichen Ruhe umſonſt zu belehren, daß er im Irr¬
thum iſt, die Fauſt deſſelben laͤßt ſeine Gurgel nicht los,
ſondern ſchuͤttelt ihn nur deſto derber, und Schimpfwoͤrter
und Drohungen, ihn auf das Stadtgefaͤngniß zu ſchlep¬
pen, ſchallen in ſein Ohr. Dem Handwerker wird das
zuletzt zu arg. Er ſtoͤßt den Arm des Gensd'armen
kraͤftig zuruͤck und ſeßt ſich zur Wehr. Da zieht dieſer
denn ſeine Waffe, und kaum hat der Handwerker Zeit,
ſeinen Kopf mit dem Arm zu ſchuͤtzen, ſo fallen auch
ſchon raſch nacheinander zwei ſcharfe Hiebe auf ihn her¬
ab. Der Arm iſt ihm geſtern abgenommen worden, aber
der Oberarzt in der Klinik meinte gleich, daß er die Am¬
putation ſchwerlich uͤberſtehen wuͤrde, und ſo wie ich ihn
heute bei der Inſpektion fand, wird er allem Voraus¬
ſehen nach den morgenden Tag nicht mehr erleben. Viel¬
leicht waͤhrend wir ſprechen, iſt er todt.“ —
„Abſcheulich! Entſetzlich!“ rief die Dame wieder.
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