Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Die Sünderin, Als Mathilde nach einer gräßlich durchwachten Nacht Die Suͤnderin, Als Mathilde nach einer graͤßlich durchwachten Nacht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0104" n="90"/> <fw place="top" type="header">Die Suͤnderin,<lb/></fw> <p>Als Mathilde nach einer graͤßlich durchwachten Nacht<lb/> in's Verhoͤr genommen und aus dem Polizeigefaͤngniß<lb/> nach dem Arbeitshaus transportirt worden war, wurde<lb/> ſie hier in einen großen Saal gewieſen, wo ſie in Ge¬<lb/> meinſchaft mit einer großen Menge von Frauen und<lb/> Maͤdchen arbeiten mußte. Das Bewußtſein ihrer ſchimpf¬<lb/> lichen Lage, die tiefe Niedergeſchlagenheit, welche ſich ihrer<lb/> ſchon waͤhrend ihres letzten, langen Elends bemaͤchtigt<lb/> hatte, die Gedanken an ihre troſtloſe Zukunft, die jetzt<lb/> auch durch den bittern Entſchluß der Trennung von ihrem<lb/> Kinde wohl ſchwerlich mehr zu beſſern ſein wuͤrde, Alles<lb/> das verſetzte ihr Gemuͤth nach der erſten Raſerei der<lb/> Verzweiflung in eine tiefe, ſtarre Stumpfheit. Die Ge¬<lb/> ſellſchaft, in die man ſie hier gewieſen, hatte ſie mit der<lb/> Theilnahme Gleichgeſinnter begruͤßt. Mathilde hatte ſich<lb/> Anfangs ihre Geſchichte entlocken laſſen; einige hatten ſie<lb/> daruͤber ausgelacht, andere ihr ein Mittel geſagt, durch<lb/> welches ſie einer polizeilichen Ausweiſung trotzen koͤnne.<lb/> Mathilde erſchrak bis in das Innerſte ihrer Seele. Sie<lb/> wandte ſich von da an mit um ſo groͤßerm Ekel von<lb/> ihren Genoſſinnen ab, als ſie ſich zu ihrem Entſetzen<lb/> geſtehen mußte, daß ſie ſelbſt bereits den Weg zu dieſem<lb/> Ende betreten habe. Schweigend und gleichguͤltig ließ ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0104]
Die Suͤnderin,
Als Mathilde nach einer graͤßlich durchwachten Nacht
in's Verhoͤr genommen und aus dem Polizeigefaͤngniß
nach dem Arbeitshaus transportirt worden war, wurde
ſie hier in einen großen Saal gewieſen, wo ſie in Ge¬
meinſchaft mit einer großen Menge von Frauen und
Maͤdchen arbeiten mußte. Das Bewußtſein ihrer ſchimpf¬
lichen Lage, die tiefe Niedergeſchlagenheit, welche ſich ihrer
ſchon waͤhrend ihres letzten, langen Elends bemaͤchtigt
hatte, die Gedanken an ihre troſtloſe Zukunft, die jetzt
auch durch den bittern Entſchluß der Trennung von ihrem
Kinde wohl ſchwerlich mehr zu beſſern ſein wuͤrde, Alles
das verſetzte ihr Gemuͤth nach der erſten Raſerei der
Verzweiflung in eine tiefe, ſtarre Stumpfheit. Die Ge¬
ſellſchaft, in die man ſie hier gewieſen, hatte ſie mit der
Theilnahme Gleichgeſinnter begruͤßt. Mathilde hatte ſich
Anfangs ihre Geſchichte entlocken laſſen; einige hatten ſie
daruͤber ausgelacht, andere ihr ein Mittel geſagt, durch
welches ſie einer polizeilichen Ausweiſung trotzen koͤnne.
Mathilde erſchrak bis in das Innerſte ihrer Seele. Sie
wandte ſich von da an mit um ſo groͤßerm Ekel von
ihren Genoſſinnen ab, als ſie ſich zu ihrem Entſetzen
geſtehen mußte, daß ſie ſelbſt bereits den Weg zu dieſem
Ende betreten habe. Schweigend und gleichguͤltig ließ ſie
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