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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

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gen, oder Lasterhaften, von ihrem Gottesdienst aus-
schlösse, es hieße so viel als, dem Kranken die Apo-
theke verbieten; ihn bloß wörtlich zur Beschimpfung
auszuschliessen, hat sie kein Recht, es müßte denn
der Staat es ihr ausdrücklich verliehen haben, vom
brüderlichen Umgang ausschliessen, ist bey ihr ein
Nichts, denn die allgemeine Kirche des Volks ist
Welt, und der Unterschied des Umgangs mit Ne-
benmenschen und Nebenchristen wird unsichtbar.
Aber ein anderes ist es mit einer kleinern bloß gedul-
deten, und vom herrschenden Volk geschützten Kirche.
Hier treten folgende Umstände ein, die das Recht
der Ausschliessung, bisweilen gar der bezeugten ge-
meinschaftlichen Verabschenung, zu ihrer Existenz
nothwendig machen.

1) Durch gewisse Verbrechen eines Mitgliedes
kann die kleine Kirche in den Augen des Volks
beschimpft werden, welches glaubt, es sey nach
ihrer Moral, und Folge ihrer Religion. Wenn
jetzt ein Christ seine Stiefmutter heyrathete,
und ein schändlicher Prediger verrichtete noch
sogar die Trauung: so wäre das Christenthum
nicht in den Augen des Volks beschimpft, denn
wir alle sind Christen, und wissen, dis ist nicht
nach unserer Religion, hier ist also die Strafe
der

gen, oder Laſterhaften, von ihrem Gottesdienſt aus-
ſchloͤſſe, es hieße ſo viel als, dem Kranken die Apo-
theke verbieten; ihn bloß woͤrtlich zur Beſchimpfung
auszuſchlieſſen, hat ſie kein Recht, es muͤßte denn
der Staat es ihr ausdruͤcklich verliehen haben, vom
bruͤderlichen Umgang ausſchlieſſen, iſt bey ihr ein
Nichts, denn die allgemeine Kirche des Volks iſt
Welt, und der Unterſchied des Umgangs mit Ne-
benmenſchen und Nebenchriſten wird unſichtbar.
Aber ein anderes iſt es mit einer kleinern bloß gedul-
deten, und vom herrſchenden Volk geſchuͤtzten Kirche.
Hier treten folgende Umſtaͤnde ein, die das Recht
der Ausſchlieſſung, bisweilen gar der bezeugten ge-
meinſchaftlichen Verabſchenung, zu ihrer Exiſtenz
nothwendig machen.

1) Durch gewiſſe Verbrechen eines Mitgliedes
kann die kleine Kirche in den Augen des Volks
beſchimpft werden, welches glaubt, es ſey nach
ihrer Moral, und Folge ihrer Religion. Wenn
jetzt ein Chriſt ſeine Stiefmutter heyrathete,
und ein ſchaͤndlicher Prediger verrichtete noch
ſogar die Trauung: ſo waͤre das Chriſtenthum
nicht in den Augen des Volks beſchimpft, denn
wir alle ſind Chriſten, und wiſſen, dis iſt nicht
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[82/0090] gen, oder Laſterhaften, von ihrem Gottesdienſt aus- ſchloͤſſe, es hieße ſo viel als, dem Kranken die Apo- theke verbieten; ihn bloß woͤrtlich zur Beſchimpfung auszuſchlieſſen, hat ſie kein Recht, es muͤßte denn der Staat es ihr ausdruͤcklich verliehen haben, vom bruͤderlichen Umgang ausſchlieſſen, iſt bey ihr ein Nichts, denn die allgemeine Kirche des Volks iſt Welt, und der Unterſchied des Umgangs mit Ne- benmenſchen und Nebenchriſten wird unſichtbar. Aber ein anderes iſt es mit einer kleinern bloß gedul- deten, und vom herrſchenden Volk geſchuͤtzten Kirche. Hier treten folgende Umſtaͤnde ein, die das Recht der Ausſchlieſſung, bisweilen gar der bezeugten ge- meinſchaftlichen Verabſchenung, zu ihrer Exiſtenz nothwendig machen. 1) Durch gewiſſe Verbrechen eines Mitgliedes kann die kleine Kirche in den Augen des Volks beſchimpft werden, welches glaubt, es ſey nach ihrer Moral, und Folge ihrer Religion. Wenn jetzt ein Chriſt ſeine Stiefmutter heyrathete, und ein ſchaͤndlicher Prediger verrichtete noch ſogar die Trauung: ſo waͤre das Chriſtenthum nicht in den Augen des Volks beſchimpft, denn wir alle ſind Chriſten, und wiſſen, dis iſt nicht nach unſerer Religion, hier iſt alſo die Strafe der

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Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/90>, abgerufen am 24.11.2024.