Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Kraft eines gewissen Glaubens, eines fremden
uns angerechneten Verdiensts
, von der Entbehr-
lichkeit, Schädlichkeit
sogar der guten Werke;
die vermeynte Leichtigkeit auch für den verworfensten
Menschen durch Beobachtung gewisser religiösen Cere-
monien und die an Gottes statt erhaltene Sünden-
vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge-
fallens der Gottheit unendlich versicherter zu werden,
als den tugendhaftesten Heyden es möglich war, de-
nen diese sogenannte Gnadenmittel abgiengen; die
noch größere Leichtigkeit in der zahlreichsten christli-
chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen
des Lasters, auch selbst noch des künftig zu begehen-
den, sicher auszuweichen: -- diese Lehren haben
allerdings die sonst so natürlichen Begriffe von Mo-
ralität und Glückseeligkeit sehr verwirret; haben oft
Menschen bis zu einem unglaublichen Grade von
Verderbtheit geleitet, sie zu Lastern gereitzt, weil
sie die Mittel sich von ihnen zu reinigen noch, ehe
sie begangen waren, darboten; haben, so undenkbar
es scheinen möchte, sogar in protestantische Erbau-
ungsbücher den Gedanken gebracht, "daß man um
"ein wahres Kind Gottes zu seyn, zuvor recht
"gottlos seyn müsse;
" ja sie haben die mörderische
Hand der Verbrecher geleitet, die sich selbst der Ge-

rechtig-
X 4

Kraft eines gewiſſen Glaubens, eines fremden
uns angerechneten Verdienſts
, von der Entbehr-
lichkeit, Schaͤdlichkeit
ſogar der guten Werke;
die vermeynte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfenſten
Menſchen durch Beobachtung gewiſſer religioͤſen Cere-
monien und die an Gottes ſtatt erhaltene Suͤnden-
vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge-
fallens der Gottheit unendlich verſicherter zu werden,
als den tugendhafteſten Heyden es moͤglich war, de-
nen dieſe ſogenannte Gnadenmittel abgiengen; die
noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichſten chriſtli-
chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen
des Laſters, auch ſelbſt noch des kuͤnftig zu begehen-
den, ſicher auszuweichen: — dieſe Lehren haben
allerdings die ſonſt ſo natuͤrlichen Begriffe von Mo-
ralitaͤt und Gluͤckſeeligkeit ſehr verwirret; haben oft
Menſchen bis zu einem unglaublichen Grade von
Verderbtheit geleitet, ſie zu Laſtern gereitzt, weil
ſie die Mittel ſich von ihnen zu reinigen noch, ehe
ſie begangen waren, darboten; haben, ſo undenkbar
es ſcheinen moͤchte, ſogar in proteſtantiſche Erbau-
ungsbuͤcher den Gedanken gebracht, „daß man um
„ein wahres Kind Gottes zu ſeyn, zuvor recht
„gottlos ſeyn muͤſſe;
“ ja ſie haben die moͤrderiſche
Hand der Verbrecher geleitet, die ſich ſelbſt der Ge-

rechtig-
X 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0335" n="327"/>
Kraft eines <hi rendition="#fr">gewi&#x017F;&#x017F;en Glaubens</hi>, eines <hi rendition="#fr">fremden<lb/>
uns angerechneten Verdien&#x017F;ts</hi>, von der <hi rendition="#fr">Entbehr-<lb/>
lichkeit, Scha&#x0364;dlichkeit</hi> &#x017F;ogar der <hi rendition="#fr">guten Werke</hi>;<lb/>
die vermeynte Leichtigkeit auch fu&#x0364;r den verworfen&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen durch Beobachtung gewi&#x017F;&#x017F;er religio&#x0364;&#x017F;en Cere-<lb/>
monien und die an Gottes &#x017F;tatt erhaltene Su&#x0364;nden-<lb/>
vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge-<lb/>
fallens der Gottheit unendlich ver&#x017F;icherter zu werden,<lb/>
als den tugendhafte&#x017F;ten Heyden es mo&#x0364;glich war, de-<lb/>
nen die&#x017F;e &#x017F;ogenannte Gnadenmittel abgiengen; die<lb/>
noch gro&#x0364;ßere Leichtigkeit in der zahlreich&#x017F;ten chri&#x017F;tli-<lb/>
chen Kirche, durch <hi rendition="#fr">erkauften Ablaß</hi> allen Folgen<lb/>
des La&#x017F;ters, auch &#x017F;elb&#x017F;t noch des ku&#x0364;nftig zu begehen-<lb/>
den, &#x017F;icher auszuweichen: &#x2014; die&#x017F;e Lehren haben<lb/>
allerdings die &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o natu&#x0364;rlichen Begriffe von Mo-<lb/>
ralita&#x0364;t und Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit &#x017F;ehr verwirret; haben oft<lb/>
Men&#x017F;chen bis zu einem unglaublichen Grade von<lb/>
Verderbtheit geleitet, &#x017F;ie zu La&#x017F;tern gereitzt, weil<lb/>
&#x017F;ie die Mittel &#x017F;ich von ihnen zu reinigen noch, ehe<lb/>
&#x017F;ie begangen waren, darboten; haben, &#x017F;o undenkbar<lb/>
es &#x017F;cheinen mo&#x0364;chte, &#x017F;ogar in prote&#x017F;tanti&#x017F;che Erbau-<lb/>
ungsbu&#x0364;cher den Gedanken gebracht, &#x201E;<hi rendition="#fr">daß man um<lb/>
&#x201E;ein wahres Kind Gottes zu &#x017F;eyn, zuvor recht<lb/>
&#x201E;gottlos &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e;</hi>&#x201C; ja &#x017F;ie haben die mo&#x0364;rderi&#x017F;che<lb/>
Hand der Verbrecher geleitet, die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t der Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 4</fw><fw place="bottom" type="catch">rechtig-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0335] Kraft eines gewiſſen Glaubens, eines fremden uns angerechneten Verdienſts, von der Entbehr- lichkeit, Schaͤdlichkeit ſogar der guten Werke; die vermeynte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfenſten Menſchen durch Beobachtung gewiſſer religioͤſen Cere- monien und die an Gottes ſtatt erhaltene Suͤnden- vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge- fallens der Gottheit unendlich verſicherter zu werden, als den tugendhafteſten Heyden es moͤglich war, de- nen dieſe ſogenannte Gnadenmittel abgiengen; die noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichſten chriſtli- chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen des Laſters, auch ſelbſt noch des kuͤnftig zu begehen- den, ſicher auszuweichen: — dieſe Lehren haben allerdings die ſonſt ſo natuͤrlichen Begriffe von Mo- ralitaͤt und Gluͤckſeeligkeit ſehr verwirret; haben oft Menſchen bis zu einem unglaublichen Grade von Verderbtheit geleitet, ſie zu Laſtern gereitzt, weil ſie die Mittel ſich von ihnen zu reinigen noch, ehe ſie begangen waren, darboten; haben, ſo undenkbar es ſcheinen moͤchte, ſogar in proteſtantiſche Erbau- ungsbuͤcher den Gedanken gebracht, „daß man um „ein wahres Kind Gottes zu ſeyn, zuvor recht „gottlos ſeyn muͤſſe;“ ja ſie haben die moͤrderiſche Hand der Verbrecher geleitet, die ſich ſelbſt der Ge- rechtig- X 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/335
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/335>, abgerufen am 24.11.2024.