Mit dem Laster und auch mit der Frucht des Lasters, Schande oder wenigstens Unehre und Unbequemlich- keit in mehrern Abstuffungen verbinden, -- ist für das Glück und die Sittlichkeit der Menschen noth- wendig. Aber hier dünkt mich, muß auch feste, nicht zu überschreitende Gränze seyn. Laster, Ver- gehen, Unmoralität muß schänden, trennen, dem, der damit befleckt ist, lästig fallen. Niemand rüh- re diese Schutzwehr der Tugend an! Sogar durch ungebührliche Verbindung geboren seyn -- bleibe eine Art von Unglück für den, den es trift, wie physi- sche Mißgestalt, weil das sittliche und politische Glück der Meisten durch dieses Vorurtheil -- wenn es eins ist -- gewinnt. Aber keine Art der Arbeit, keine Beschäftigung, kein Dienst dem gemeinen Wesen und Mitmenschem geleistet, keine Abstammung aus diesem oder jenen Land und Volk muß schänden, muß entehren, muß von dem ersten aller Rechte -- dem, Kopf und Hände nach eigner Wahl zu gebrau- chen, ausschliessen können. Ungereimt und keiner Ent- schuldigung fähig scheint es mir, wenn die Zünfte noch itzt nicht, die Kinder der Leineweber, Müller, Schäfer, Trompeter, Pfeiffer und Zöllner zu- lassen wollen, weil diese Beschäftigungen zu des deut- schen König HeinrichI. Zeiten, aus denen sich un-
sere
Mit dem Laſter und auch mit der Frucht des Laſters, Schande oder wenigſtens Unehre und Unbequemlich- keit in mehrern Abſtuffungen verbinden, — iſt fuͤr das Gluͤck und die Sittlichkeit der Menſchen noth- wendig. Aber hier duͤnkt mich, muß auch feſte, nicht zu uͤberſchreitende Graͤnze ſeyn. Laſter, Ver- gehen, Unmoralitaͤt muß ſchaͤnden, trennen, dem, der damit befleckt iſt, laͤſtig fallen. Niemand ruͤh- re dieſe Schutzwehr der Tugend an! Sogar durch ungebuͤhrliche Verbindung geboren ſeyn — bleibe eine Art von Ungluͤck fuͤr den, den es trift, wie phyſi- ſche Mißgeſtalt, weil das ſittliche und politiſche Gluͤck der Meiſten durch dieſes Vorurtheil — wenn es eins iſt — gewinnt. Aber keine Art der Arbeit, keine Beſchaͤftigung, kein Dienſt dem gemeinen Weſen und Mitmenſchem geleiſtet, keine Abſtammung aus dieſem oder jenen Land und Volk muß ſchaͤnden, muß entehren, muß von dem erſten aller Rechte — dem, Kopf und Haͤnde nach eigner Wahl zu gebrau- chen, ausſchlieſſen koͤnnen. Ungereimt und keiner Ent- ſchuldigung faͤhig ſcheint es mir, wenn die Zuͤnfte noch itzt nicht, die Kinder der Leineweber, Muͤller, Schaͤfer, Trompeter, Pfeiffer und Zoͤllner zu- laſſen wollen, weil dieſe Beſchaͤftigungen zu des deut- ſchen Koͤnig HeinrichI. Zeiten, aus denen ſich un-
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Mit dem Laſter und auch mit der Frucht des Laſters,
Schande oder wenigſtens Unehre und Unbequemlich-
keit in mehrern Abſtuffungen verbinden, — iſt fuͤr
das Gluͤck und die Sittlichkeit der Menſchen noth-
wendig. Aber hier duͤnkt mich, muß auch feſte,
nicht zu uͤberſchreitende Graͤnze ſeyn. Laſter, Ver-
gehen, Unmoralitaͤt muß ſchaͤnden, trennen, dem,
der damit befleckt iſt, laͤſtig fallen. Niemand ruͤh-
re dieſe Schutzwehr der Tugend an! Sogar durch
ungebuͤhrliche Verbindung geboren ſeyn — bleibe eine
Art von Ungluͤck fuͤr den, den es trift, wie phyſi-
ſche Mißgeſtalt, weil das ſittliche und politiſche Gluͤck
der Meiſten durch dieſes Vorurtheil — wenn es eins
iſt — gewinnt. Aber keine Art der Arbeit, keine
Beſchaͤftigung, kein Dienſt dem gemeinen Weſen
und Mitmenſchem geleiſtet, keine Abſtammung aus
dieſem oder jenen Land und Volk muß ſchaͤnden, muß
entehren, muß von dem erſten aller Rechte — dem,
Kopf und Haͤnde nach eigner Wahl zu gebrau-
chen, ausſchlieſſen koͤnnen. Ungereimt und keiner Ent-
ſchuldigung faͤhig ſcheint es mir, wenn die Zuͤnfte
noch itzt nicht, die Kinder der Leineweber, Muͤller,
Schaͤfer, Trompeter, Pfeiffer und Zoͤllner zu-
laſſen wollen, weil dieſe Beſchaͤftigungen zu des deut-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/286>, abgerufen am 26.11.2024.
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