Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Arbeit; die Festsetzung einer gewissen Lehrzeit (die
freilich nach Verschiedenheit der Fähigkeiten des Lehr-
lings und nach der Mühe und den Kosten des Mei-
sters, ehe er ihn recht gebrauchen kann, durch einen
Privatvergleich, immer verschieden bestimmt werden
müßte); der Nutzen des Wanderns der Gesellen, die
Pflege derselben in Krankheiten; endlich die Verhin-
derung schlechter Arbeit und Erhaltung des Credits
besonders in den Handwerken, welche für auswär-
tigen Markt arbeiten: -- diese, wie es mich dünkt,
vortheilhafte Folgen der Zunfteinrichtung liessen sich
auch ohne dieselbe erreichen. Denn es versteht sich
von selbst, daß wenn auch keine Zünfte wären, doch
dem Staat seine Oberaufsicht und Leitung der Ge-
werbe und Nahrungswege bleiben müsse, wie er die-
se auch itzt wirklich bey unzünftigen, wie bey zünfti-
gen ausübt und auch immer (nur, wie ich glaube,
nicht zu häufig, und eigentlich nur in ausserordent-
lichen Fällen) ausüben muß.

Ohngeachtet dieser Ueberzeugung indeß halte ich doch
in unsern meisten, besonders aber den deutschen Staa-
ten, eine völlige Abschaffung der Zünfte für sehr bedenk-
lich. Die Erfahrung, da man nur einzelne Mißbräuche
verbannen wollen, hat schon gezeigt, wie schwer es sey,
in diesem Fache zu reformiren. Unsere bürgerliche städ-

tische
S

Arbeit; die Feſtſetzung einer gewiſſen Lehrzeit (die
freilich nach Verſchiedenheit der Faͤhigkeiten des Lehr-
lings und nach der Muͤhe und den Koſten des Mei-
ſters, ehe er ihn recht gebrauchen kann, durch einen
Privatvergleich, immer verſchieden beſtimmt werden
muͤßte); der Nutzen des Wanderns der Geſellen, die
Pflege derſelben in Krankheiten; endlich die Verhin-
derung ſchlechter Arbeit und Erhaltung des Credits
beſonders in den Handwerken, welche fuͤr auswaͤr-
tigen Markt arbeiten: — dieſe, wie es mich duͤnkt,
vortheilhafte Folgen der Zunfteinrichtung lieſſen ſich
auch ohne dieſelbe erreichen. Denn es verſteht ſich
von ſelbſt, daß wenn auch keine Zuͤnfte waͤren, doch
dem Staat ſeine Oberaufſicht und Leitung der Ge-
werbe und Nahrungswege bleiben muͤſſe, wie er die-
ſe auch itzt wirklich bey unzuͤnftigen, wie bey zuͤnfti-
gen ausuͤbt und auch immer (nur, wie ich glaube,
nicht zu haͤufig, und eigentlich nur in auſſerordent-
lichen Faͤllen) ausuͤben muß.

Ohngeachtet dieſer Ueberzeugung indeß halte ich doch
in unſern meiſten, beſonders aber den deutſchen Staa-
ten, eine voͤllige Abſchaffung der Zuͤnfte fuͤr ſehr bedenk-
lich. Die Erfahrung, da man nur einzelne Mißbraͤuche
verbannen wollen, hat ſchon gezeigt, wie ſchwer es ſey,
in dieſem Fache zu reformiren. Unſere buͤrgerliche ſtaͤd-

tiſche
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="273"/>
Arbeit; die Fe&#x017F;t&#x017F;etzung einer gewi&#x017F;&#x017F;en Lehrzeit (die<lb/>
freilich nach Ver&#x017F;chiedenheit der Fa&#x0364;higkeiten des Lehr-<lb/>
lings und nach der Mu&#x0364;he und den Ko&#x017F;ten des Mei-<lb/>
&#x017F;ters, ehe er ihn recht gebrauchen kann, durch einen<lb/>
Privatvergleich, immer ver&#x017F;chieden be&#x017F;timmt werden<lb/>
mu&#x0364;ßte); der Nutzen des Wanderns der Ge&#x017F;ellen, die<lb/>
Pflege der&#x017F;elben in Krankheiten; endlich die Verhin-<lb/>
derung &#x017F;chlechter Arbeit und Erhaltung des Credits<lb/>
be&#x017F;onders in den Handwerken, welche fu&#x0364;r auswa&#x0364;r-<lb/>
tigen Markt arbeiten: &#x2014; die&#x017F;e, wie es mich du&#x0364;nkt,<lb/>
vortheilhafte Folgen der Zunfteinrichtung lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
auch ohne die&#x017F;elbe erreichen. Denn es ver&#x017F;teht &#x017F;ich<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t, daß wenn auch keine Zu&#x0364;nfte wa&#x0364;ren, doch<lb/>
dem Staat &#x017F;eine Oberauf&#x017F;icht und Leitung der Ge-<lb/>
werbe und Nahrungswege bleiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wie er die-<lb/>
&#x017F;e auch itzt wirklich bey unzu&#x0364;nftigen, wie bey zu&#x0364;nfti-<lb/>
gen ausu&#x0364;bt und auch immer (nur, wie ich glaube,<lb/>
nicht zu ha&#x0364;ufig, und eigentlich nur in au&#x017F;&#x017F;erordent-<lb/>
lichen Fa&#x0364;llen) ausu&#x0364;ben muß.</p><lb/>
          <p>Ohngeachtet die&#x017F;er Ueberzeugung indeß halte ich doch<lb/>
in un&#x017F;ern mei&#x017F;ten, be&#x017F;onders aber den deut&#x017F;chen Staa-<lb/>
ten, eine vo&#x0364;llige Ab&#x017F;chaffung der Zu&#x0364;nfte fu&#x0364;r &#x017F;ehr bedenk-<lb/>
lich. Die Erfahrung, da man nur einzelne Mißbra&#x0364;uche<lb/>
verbannen wollen, hat &#x017F;chon gezeigt, wie &#x017F;chwer es &#x017F;ey,<lb/>
in die&#x017F;em Fache zu reformiren. Un&#x017F;ere bu&#x0364;rgerliche &#x017F;ta&#x0364;d-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">ti&#x017F;che</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0281] Arbeit; die Feſtſetzung einer gewiſſen Lehrzeit (die freilich nach Verſchiedenheit der Faͤhigkeiten des Lehr- lings und nach der Muͤhe und den Koſten des Mei- ſters, ehe er ihn recht gebrauchen kann, durch einen Privatvergleich, immer verſchieden beſtimmt werden muͤßte); der Nutzen des Wanderns der Geſellen, die Pflege derſelben in Krankheiten; endlich die Verhin- derung ſchlechter Arbeit und Erhaltung des Credits beſonders in den Handwerken, welche fuͤr auswaͤr- tigen Markt arbeiten: — dieſe, wie es mich duͤnkt, vortheilhafte Folgen der Zunfteinrichtung lieſſen ſich auch ohne dieſelbe erreichen. Denn es verſteht ſich von ſelbſt, daß wenn auch keine Zuͤnfte waͤren, doch dem Staat ſeine Oberaufſicht und Leitung der Ge- werbe und Nahrungswege bleiben muͤſſe, wie er die- ſe auch itzt wirklich bey unzuͤnftigen, wie bey zuͤnfti- gen ausuͤbt und auch immer (nur, wie ich glaube, nicht zu haͤufig, und eigentlich nur in auſſerordent- lichen Faͤllen) ausuͤben muß. Ohngeachtet dieſer Ueberzeugung indeß halte ich doch in unſern meiſten, beſonders aber den deutſchen Staa- ten, eine voͤllige Abſchaffung der Zuͤnfte fuͤr ſehr bedenk- lich. Die Erfahrung, da man nur einzelne Mißbraͤuche verbannen wollen, hat ſchon gezeigt, wie ſchwer es ſey, in dieſem Fache zu reformiren. Unſere buͤrgerliche ſtaͤd- tiſche S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/281
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/281>, abgerufen am 26.11.2024.