vorzukommen. Die Idee eines Heylandes und Retters setzt einen Zustand des Elends und der Un- terdrückung voraus, aus dem die Juden gerettet und erlöset werden sollen. Man verwandle also nur die- sen Zustand in Glück und Wohlstand, man mache die gegenwärtige Lage angenehm; man knüpfe da- durch die Herzen der Unterthanen an den Staat; so werden sie nicht mehr verlangen gerettet zu mer- den, und den verheissenen Heyland nach und nach ganz vergessen. Der sicherste Weg den Aufruhr ganz zu verhindern, ist -- gut zu regieren. Freylich wird es keiner Regierung gelingen, alle ihre Unterthanen zufrieden zu machen; Beschwerden, auch gerechte, bleiben immer übrig, Ehrsucht und Eigennutz wer- den diese immer zu ihren Absichten zu benutzen stre- ben. Es ist also auch allerdings möglich, daß ein- mal ein Schwärmer oder täuschender Volksverführer sich der Meynung des versprochenen Heylandes be- diene, und dadurch Unruhen errege. Aber die An- stalten unserer itzigen Staaten sind einer solchen Un- ternehmung zu sehr zuwider, als das man einige ernstliche Folgen besorgen dürfte. Das sicherste Mit- tel allenfalls sie niederzuschlagen, würde ohne Zweifel seyn, Jeden, der sich als Heiland angäbe, so lan- ge einzusperren, bis er sich zu dem Rechte seiner er-
sten
vorzukommen. Die Idee eines Heylandes und Retters ſetzt einen Zuſtand des Elends und der Un- terdruͤckung voraus, aus dem die Juden gerettet und erloͤſet werden ſollen. Man verwandle alſo nur die- ſen Zuſtand in Gluͤck und Wohlſtand, man mache die gegenwaͤrtige Lage angenehm; man knuͤpfe da- durch die Herzen der Unterthanen an den Staat; ſo werden ſie nicht mehr verlangen gerettet zu mer- den, und den verheiſſenen Heyland nach und nach ganz vergeſſen. Der ſicherſte Weg den Aufruhr ganz zu verhindern, iſt — gut zu regieren. Freylich wird es keiner Regierung gelingen, alle ihre Unterthanen zufrieden zu machen; Beſchwerden, auch gerechte, bleiben immer uͤbrig, Ehrſucht und Eigennutz wer- den dieſe immer zu ihren Abſichten zu benutzen ſtre- ben. Es iſt alſo auch allerdings moͤglich, daß ein- mal ein Schwaͤrmer oder taͤuſchender Volksverfuͤhrer ſich der Meynung des verſprochenen Heylandes be- diene, und dadurch Unruhen errege. Aber die An- ſtalten unſerer itzigen Staaten ſind einer ſolchen Un- ternehmung zu ſehr zuwider, als das man einige ernſtliche Folgen beſorgen duͤrfte. Das ſicherſte Mit- tel allenfalls ſie niederzuſchlagen, wuͤrde ohne Zweifel ſeyn, Jeden, der ſich als Heiland angaͤbe, ſo lan- ge einzuſperren, bis er ſich zu dem Rechte ſeiner er-
ſten
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vorzukommen. Die Idee eines Heylandes und
Retters ſetzt einen Zuſtand des Elends und der Un-
terdruͤckung voraus, aus dem die Juden gerettet und
erloͤſet werden ſollen. Man verwandle alſo nur die-
ſen Zuſtand in Gluͤck und Wohlſtand, man mache
die gegenwaͤrtige Lage angenehm; man knuͤpfe da-
durch die Herzen der Unterthanen an den Staat;
ſo werden ſie nicht mehr verlangen gerettet zu mer-
den, und den verheiſſenen Heyland nach und nach
ganz vergeſſen. Der ſicherſte Weg den Aufruhr ganz
zu verhindern, iſt — gut zu regieren. Freylich wird
es keiner Regierung gelingen, alle ihre Unterthanen
zufrieden zu machen; Beſchwerden, auch gerechte,
bleiben immer uͤbrig, Ehrſucht und Eigennutz wer-
den dieſe immer zu ihren Abſichten zu benutzen ſtre-
ben. Es iſt alſo auch allerdings moͤglich, daß ein-
mal ein Schwaͤrmer oder taͤuſchender Volksverfuͤhrer
ſich der Meynung des verſprochenen Heylandes be-
diene, und dadurch Unruhen errege. Aber die An-
ſtalten unſerer itzigen Staaten ſind einer ſolchen Un-
ternehmung zu ſehr zuwider, als das man einige
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/227>, abgerufen am 22.11.2024.
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