ren; oder sie zu bessern Bürgern der Welt zu machen, -- noch wählen wollen? Kann der Fehler der ehemaligen Regierungen ein Grund für die itzi- gen seyn, diesen Fehler fortzusetzen?
Der Gedanke, daß die Juden noch immer einen Retter erwarten, der sie aus ihrem bisherigen Elend erlösen, ein eignes Reich für sie errichten, und an- dere Nationen ihnen unterwerfen soll, darf uns auch gewiß nicht für die Ruhe unserer Staaten besorgt machen. Ich beziehe mich deshalb auf dasjenige, was Hr. Moses Mendelssohn schon S. 74 hier- über sehr richtig bemerkt hat, dem ich nur noch ei- nige Anmerkungen beyfügen will. Die Christen ha- ben von den ältesten Zeiten an gleichfalls eine glän- zendere Wiederkunft des Messias erwartet, der alle übrige Staaten zerstören und ein irrdisches tausend- jähriges Reich für seine treuesten Anhänger errichten würde. Die ersten Kirchenväter, welche noch an den Unterricht der Stifter des Christen- thums reichten, behaupteten diesen Lehrsatz *), und er hat durch alle Jahrhunderte in der
Kirche
*)Justinus Martyr (im Dialogo cum Tryphone c. 80.) sagt ausdrücklich, daß er und viele Christen diese Hofnung nährten, ohgleich Andere, die doch auch
wahre
O 4
ren; oder ſie zu beſſern Buͤrgern der Welt zu machen, — noch waͤhlen wollen? Kann der Fehler der ehemaligen Regierungen ein Grund fuͤr die itzi- gen ſeyn, dieſen Fehler fortzuſetzen?
Der Gedanke, daß die Juden noch immer einen Retter erwarten, der ſie aus ihrem bisherigen Elend erloͤſen, ein eignes Reich fuͤr ſie errichten, und an- dere Nationen ihnen unterwerfen ſoll, darf uns auch gewiß nicht fuͤr die Ruhe unſerer Staaten beſorgt machen. Ich beziehe mich deshalb auf dasjenige, was Hr. Moſes Mendelsſohn ſchon S. 74 hier- uͤber ſehr richtig bemerkt hat, dem ich nur noch ei- nige Anmerkungen beyfuͤgen will. Die Chriſten ha- ben von den aͤlteſten Zeiten an gleichfalls eine glaͤn- zendere Wiederkunft des Meſſias erwartet, der alle uͤbrige Staaten zerſtoͤren und ein irrdiſches tauſend- jaͤhriges Reich fuͤr ſeine treueſten Anhaͤnger errichten wuͤrde. Die erſten Kirchenvaͤter, welche noch an den Unterricht der Stifter des Chriſten- thums reichten, behaupteten dieſen Lehrſatz *), und er hat durch alle Jahrhunderte in der
Kirche
*)Juſtinus Martyr (im Dialogo cum Tryphone c. 80.) ſagt ausdruͤcklich, daß er und viele Chriſten dieſe Hofnung naͤhrten, ohgleich Andere, die doch auch
wahre
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ren; oder ſie zu beſſern Buͤrgern der Welt zu
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der ehemaligen Regierungen ein Grund fuͤr die itzi-
gen ſeyn, dieſen Fehler fortzuſetzen?
Der Gedanke, daß die Juden noch immer einen
Retter erwarten, der ſie aus ihrem bisherigen Elend
erloͤſen, ein eignes Reich fuͤr ſie errichten, und an-
dere Nationen ihnen unterwerfen ſoll, darf uns auch
gewiß nicht fuͤr die Ruhe unſerer Staaten beſorgt
machen. Ich beziehe mich deshalb auf dasjenige,
was Hr. Moſes Mendelsſohn ſchon S. 74 hier-
uͤber ſehr richtig bemerkt hat, dem ich nur noch ei-
nige Anmerkungen beyfuͤgen will. Die Chriſten ha-
ben von den aͤlteſten Zeiten an gleichfalls eine glaͤn-
zendere Wiederkunft des Meſſias erwartet, der alle
uͤbrige Staaten zerſtoͤren und ein irrdiſches tauſend-
jaͤhriges Reich fuͤr ſeine treueſten Anhaͤnger errichten
wuͤrde. Die erſten Kirchenvaͤter, welche noch
an den Unterricht der Stifter des Chriſten-
thums reichten, behaupteten dieſen Lehrſatz *),
und er hat durch alle Jahrhunderte in der
Kirche
*) Juſtinus Martyr (im Dialogo cum Tryphone c.
80.) ſagt ausdruͤcklich, daß er und viele Chriſten dieſe
Hofnung naͤhrten, ohgleich Andere, die doch auch
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/223>, abgerufen am 16.02.2025.
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