Menschen, inconsequent und wider ihre Grundsätze handelten. Leichtsinniger Spott dessen, was An- dern ehrwürdig ist und mit ihrer Tugend und Glückseeligkeit zusammenhängt, ist wider die Würde jedes edeln und rechtschaffenen Mannes. Oft wur- de derselbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg- nung mancher ohne Verstand eifernder Gegner ge- reitzt. Aber wahrscheinlich würde die Vernunftreli- gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere (herrschende wird sie nie heissen und seyn wollen) Parthey ausmachen sollten, sich von aller Verfolgung und Drückung rein erhalten, die wenigstens bis itzt noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren Mittheilung der Gottheit, einer ausschliessend beseeligenden Wahrheit, ihre vornehmste Stütze hatten, und nur bey diesen Lehren consequent seyn können.
Daß die Religion der Juden, wenn sie auch nicht bis zur natürlichen sich reinigen sollte, doch wenig- stens nach und nach sich so weit modificiren würde, um alle nachtheilige Einflüsse auf bürgerliche Ver- hältnisse zu verliehren, beweißt die Geschichte aller Religionen, welche durch die äußere Lage, in denen sich ihre Bekenner befanden und die Fortschritte der übri- gen Cultur derselben, solche Umwandlungen erfah-
ren
Menſchen, inconſequent und wider ihre Grundſaͤtze handelten. Leichtſinniger Spott deſſen, was An- dern ehrwuͤrdig iſt und mit ihrer Tugend und Gluͤckſeeligkeit zuſammenhaͤngt, iſt wider die Wuͤrde jedes edeln und rechtſchaffenen Mannes. Oft wur- de derſelbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg- nung mancher ohne Verſtand eifernder Gegner ge- reitzt. Aber wahrſcheinlich wuͤrde die Vernunftreli- gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere (herrſchende wird ſie nie heiſſen und ſeyn wollen) Parthey ausmachen ſollten, ſich von aller Verfolgung und Druͤckung rein erhalten, die wenigſtens bis itzt noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren Mittheilung der Gottheit, einer ausſchlieſſend beſeeligenden Wahrheit, ihre vornehmſte Stuͤtze hatten, und nur bey dieſen Lehren conſequent ſeyn koͤnnen.
Daß die Religion der Juden, wenn ſie auch nicht bis zur natuͤrlichen ſich reinigen ſollte, doch wenig- ſtens nach und nach ſich ſo weit modificiren wuͤrde, um alle nachtheilige Einfluͤſſe auf buͤrgerliche Ver- haͤltniſſe zu verliehren, beweißt die Geſchichte aller Religionen, welche durch die aͤußere Lage, in denen ſich ihre Bekenner befanden und die Fortſchritte der uͤbri- gen Cultur derſelben, ſolche Umwandlungen erfah-
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Menſchen, inconſequent und wider ihre Grundſaͤtze
handelten. Leichtſinniger Spott deſſen, was An-
dern ehrwuͤrdig iſt und mit ihrer Tugend und
Gluͤckſeeligkeit zuſammenhaͤngt, iſt wider die Wuͤrde
jedes edeln und rechtſchaffenen Mannes. Oft wur-
de derſelbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg-
nung mancher ohne Verſtand eifernder Gegner ge-
reitzt. Aber wahrſcheinlich wuͤrde die Vernunftreli-
gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere
(herrſchende wird ſie nie heiſſen und ſeyn wollen)
Parthey ausmachen ſollten, ſich von aller Verfolgung
und Druͤckung rein erhalten, die wenigſtens bis itzt
noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren
Mittheilung der Gottheit, einer ausſchlieſſend
beſeeligenden Wahrheit, ihre vornehmſte Stuͤtze
hatten, und nur bey dieſen Lehren conſequent ſeyn
koͤnnen.
Daß die Religion der Juden, wenn ſie auch nicht
bis zur natuͤrlichen ſich reinigen ſollte, doch wenig-
ſtens nach und nach ſich ſo weit modificiren wuͤrde,
um alle nachtheilige Einfluͤſſe auf buͤrgerliche Ver-
haͤltniſſe zu verliehren, beweißt die Geſchichte aller
Religionen, welche durch die aͤußere Lage, in denen ſich
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/195>, abgerufen am 22.11.2024.
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