sonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der Sache des Staats und gar nicht mit dem jüdischen Lehrbegriff es zu thun habe, hat so verstehen können, als verlangte ich, daß die Juden immer gerade sol- che Juden blieben, wie sie itzt sind, und daß man dann, diese widernatürliche Unveränderlichkeit einmal angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be- weis entgegensetzt, daß sie auch in jeder Zukunft für den Staat nicht taugen würden. Dieser Mißver- stand ist geschehn, ob ich gleich so deutlich mich er- klärt hatte, daß ich von der Ausführung meiner Vor- schläge gewiß erwarte, die Juden würden ihre bür- gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhö- ren, solche Juden zu seyn, wie sie bisher waren. Es ist also nöthig mich hierüber noch deutlicher und genauer zu erklären.
Allerdings haben die Juden in ihrer Religion Vorurtheile, die sie in gewissem Grade unfähig ma- chen, alle Pflichten zu erfüllen, die der Staat von seinen Bürgern verlangt, und bey denen sie diesen nicht völlig gleich werden können. Diese Vorurthei- le entstehen zum Theil daher, weil die Juden noch immer streng ein Gesetz beobachten, welches freylich die Absicht hatte, sie von allen andern Nationen zu trennen, sie in einen eigenen für sich bestehenden
Staat
ſonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der Sache des Staats und gar nicht mit dem juͤdiſchen Lehrbegriff es zu thun habe, hat ſo verſtehen koͤnnen, als verlangte ich, daß die Juden immer gerade ſol- che Juden blieben, wie ſie itzt ſind, und daß man dann, dieſe widernatuͤrliche Unveraͤnderlichkeit einmal angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be- weis entgegenſetzt, daß ſie auch in jeder Zukunft fuͤr den Staat nicht taugen wuͤrden. Dieſer Mißver- ſtand iſt geſchehn, ob ich gleich ſo deutlich mich er- klaͤrt hatte, daß ich von der Ausfuͤhrung meiner Vor- ſchlaͤge gewiß erwarte, die Juden wuͤrden ihre buͤr- gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhoͤ- ren, ſolche Juden zu ſeyn, wie ſie bisher waren. Es iſt alſo noͤthig mich hieruͤber noch deutlicher und genauer zu erklaͤren.
Allerdings haben die Juden in ihrer Religion Vorurtheile, die ſie in gewiſſem Grade unfaͤhig ma- chen, alle Pflichten zu erfuͤllen, die der Staat von ſeinen Buͤrgern verlangt, und bey denen ſie dieſen nicht voͤllig gleich werden koͤnnen. Dieſe Vorurthei- le entſtehen zum Theil daher, weil die Juden noch immer ſtreng ein Geſetz beobachten, welches freylich die Abſicht hatte, ſie von allen andern Nationen zu trennen, ſie in einen eigenen fuͤr ſich beſtehenden
Staat
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ſonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der
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Lehrbegriff es zu thun habe, hat ſo verſtehen koͤnnen,
als verlangte ich, daß die Juden immer gerade ſol-
che Juden blieben, wie ſie itzt ſind, und daß man
dann, dieſe widernatuͤrliche Unveraͤnderlichkeit einmal
angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be-
weis entgegenſetzt, daß ſie auch in jeder Zukunft fuͤr
den Staat nicht taugen wuͤrden. Dieſer Mißver-
ſtand iſt geſchehn, ob ich gleich ſo deutlich mich er-
klaͤrt hatte, daß ich von der Ausfuͤhrung meiner Vor-
ſchlaͤge gewiß erwarte, die Juden wuͤrden ihre buͤr-
gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhoͤ-
ren, ſolche Juden zu ſeyn, wie ſie bisher waren.
Es iſt alſo noͤthig mich hieruͤber noch deutlicher und
genauer zu erklaͤren.
Allerdings haben die Juden in ihrer Religion
Vorurtheile, die ſie in gewiſſem Grade unfaͤhig ma-
chen, alle Pflichten zu erfuͤllen, die der Staat von
ſeinen Buͤrgern verlangt, und bey denen ſie dieſen
nicht voͤllig gleich werden koͤnnen. Dieſe Vorurthei-
le entſtehen zum Theil daher, weil die Juden noch
immer ſtreng ein Geſetz beobachten, welches freylich
die Abſicht hatte, ſie von allen andern Nationen zu
trennen, ſie in einen eigenen fuͤr ſich beſtehenden
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/183>, abgerufen am 18.12.2024.
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