hätte. Wird diese Erinnerung endlich einmal unter- brochen, werden die Juden menschlich und wie an- dere Glieder der Gesellschaft behandelt; so darf man nicht zweiflen, daß ihre religiöse Anhänglichkeit in eben dem Maaße abnehmen werde, in welchem sie durch bürgerliche sich fester an den Staat verbinden. Man darf hier sicher auf die immer sich gleiche Na- tur des Menschen vertrauen. Die Juden werden von selbst das Lästige, Unbequeme und Unangeneh- me auffallender äusserer Unterscheidungen, gehemm- ter politischer Thätigkeit fühlen und sie werden schon sehen, wie sie dieser Fesseln sich entledigen. Der Staat kann es immer ruhig ihren Lehrern und Grüb- lern überlassen, die heiligen Meynungen so zu modi- ficiren, daß sie mit dem zeitlichen Wohl und bürger- lichen Verhältnissen zusammenstimmen. Die Syna- goge wird nach dem Staat sich bequemen müssen, oder sie kömmt in Gefahr von ihren Besuchern ver- lassen zu werden.
"Aber dann werden die Juden aufhören "eigentliche Juden zu seyn?" -- Mögen sie doch! Was kümmert dieses den Staat, der nichts weiter von ihnen verlangt, als daß sie gute Bürger werden, sie mögen es übrigens mit ihren Religionsmeynun- gen halten, wie sie wollen? In der That ist es
sonder-
haͤtte. Wird dieſe Erinnerung endlich einmal unter- brochen, werden die Juden menſchlich und wie an- dere Glieder der Geſellſchaft behandelt; ſo darf man nicht zweiflen, daß ihre religioͤſe Anhaͤnglichkeit in eben dem Maaße abnehmen werde, in welchem ſie durch buͤrgerliche ſich feſter an den Staat verbinden. Man darf hier ſicher auf die immer ſich gleiche Na- tur des Menſchen vertrauen. Die Juden werden von ſelbſt das Laͤſtige, Unbequeme und Unangeneh- me auffallender aͤuſſerer Unterſcheidungen, gehemm- ter politiſcher Thaͤtigkeit fuͤhlen und ſie werden ſchon ſehen, wie ſie dieſer Feſſeln ſich entledigen. Der Staat kann es immer ruhig ihren Lehrern und Gruͤb- lern uͤberlaſſen, die heiligen Meynungen ſo zu modi- ficiren, daß ſie mit dem zeitlichen Wohl und buͤrger- lichen Verhaͤltniſſen zuſammenſtimmen. Die Syna- goge wird nach dem Staat ſich bequemen muͤſſen, oder ſie koͤmmt in Gefahr von ihren Beſuchern ver- laſſen zu werden.
„Aber dann werden die Juden aufhoͤren „eigentliche Juden zu ſeyn?“ — Moͤgen ſie doch! Was kuͤmmert dieſes den Staat, der nichts weiter von ihnen verlangt, als daß ſie gute Buͤrger werden, ſie moͤgen es uͤbrigens mit ihren Religionsmeynun- gen halten, wie ſie wollen? In der That iſt es
ſonder-
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haͤtte. Wird dieſe Erinnerung endlich einmal unter-
brochen, werden die Juden menſchlich und wie an-
dere Glieder der Geſellſchaft behandelt; ſo darf man
nicht zweiflen, daß ihre religioͤſe Anhaͤnglichkeit in
eben dem Maaße abnehmen werde, in welchem ſie
durch buͤrgerliche ſich feſter an den Staat verbinden.
Man darf hier ſicher auf die immer ſich gleiche Na-
tur des Menſchen vertrauen. Die Juden werden
von ſelbſt das Laͤſtige, Unbequeme und Unangeneh-
me auffallender aͤuſſerer Unterſcheidungen, gehemm-
ter politiſcher Thaͤtigkeit fuͤhlen und ſie werden ſchon
ſehen, wie ſie dieſer Feſſeln ſich entledigen. Der
Staat kann es immer ruhig ihren Lehrern und Gruͤb-
lern uͤberlaſſen, die heiligen Meynungen ſo zu modi-
ficiren, daß ſie mit dem zeitlichen Wohl und buͤrger-
lichen Verhaͤltniſſen zuſammenſtimmen. Die Syna-
goge wird nach dem Staat ſich bequemen muͤſſen,
oder ſie koͤmmt in Gefahr von ihren Beſuchern ver-
laſſen zu werden.
„Aber dann werden die Juden aufhoͤren
„eigentliche Juden zu ſeyn?“ — Moͤgen ſie doch!
Was kuͤmmert dieſes den Staat, der nichts weiter
von ihnen verlangt, als daß ſie gute Buͤrger werden,
ſie moͤgen es uͤbrigens mit ihren Religionsmeynun-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/182>, abgerufen am 22.11.2024.
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