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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

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ad 4) Man spricht vieles von Freyheit, und doch
benimmt man den Menschen die allerschätzbarste
gleich in der zartesten Jugend; da wird der Verstand
zum Sklaven der verschiedenen dogmatischen Thor-
heiten gebildet. Dem Juden wird überdem der höchst
gefährliche Stolz eingeprägt, er gehöre zu einem
Volke, welches sich Gott vor allen andern auser-
wählt hätte; Stolz und Vorurtheile, wovon Jesus
sie abbringen wolte, die Christen aber bestärken helf-
fen. So lange das, was man Religion nennt, mit
der Erziehung verbunden bleibt, muß Herz und Ver-
stand verdorben werden. Nicht die erdichtete Erb-
sünde, sondern die theologische Erziehung ist an der
Boßheit oder vielmehr Thorheit der Menschen schuld;
Der Theolog sey Jude, Christ, Türke oder Heyde.
Der Verderb der Sitten ist gänzlich ein Werk dieser
fast durchgängig abergläubischen Erziehung. Wie viel
Macht dieselbe über den Verstand habe, zeigt die un-
läugbarste Erfahrung. Der Bramine, der Verehrer
des Lama, der Mahometaner und der Jude werden
nie von diesen ihnen in der Kindheit angelegten Fes-
seln erlößt; die kleine Anzahl getaufter Juden und
Türken beweißt nichts, und den Werth der Heyden-
bekehrungen kennt Jedermann. Ein Glas Brand-
wein, Glaskorallen oder fromme Betriegereyen be-

wegen
J 4

ad 4) Man ſpricht vieles von Freyheit, und doch
benimmt man den Menſchen die allerſchaͤtzbarſte
gleich in der zarteſten Jugend; da wird der Verſtand
zum Sklaven der verſchiedenen dogmatiſchen Thor-
heiten gebildet. Dem Juden wird uͤberdem der hoͤchſt
gefaͤhrliche Stolz eingepraͤgt, er gehoͤre zu einem
Volke, welches ſich Gott vor allen andern auser-
waͤhlt haͤtte; Stolz und Vorurtheile, wovon Jeſus
ſie abbringen wolte, die Chriſten aber beſtaͤrken helf-
fen. So lange das, was man Religion nennt, mit
der Erziehung verbunden bleibt, muß Herz und Ver-
ſtand verdorben werden. Nicht die erdichtete Erb-
ſuͤnde, ſondern die theologiſche Erziehung iſt an der
Boßheit oder vielmehr Thorheit der Menſchen ſchuld;
Der Theolog ſey Jude, Chriſt, Tuͤrke oder Heyde.
Der Verderb der Sitten iſt gaͤnzlich ein Werk dieſer
faſt durchgaͤngig aberglaͤubiſchen Erziehung. Wie viel
Macht dieſelbe uͤber den Verſtand habe, zeigt die un-
laͤugbarſte Erfahrung. Der Bramine, der Verehrer
des Lama, der Mahometaner und der Jude werden
nie von dieſen ihnen in der Kindheit angelegten Feſ-
ſeln erloͤßt; die kleine Anzahl getaufter Juden und
Tuͤrken beweißt nichts, und den Werth der Heyden-
bekehrungen kennt Jedermann. Ein Glas Brand-
wein, Glaskorallen oder fromme Betriegereyen be-

wegen
J 4
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[135/0143] ad 4) Man ſpricht vieles von Freyheit, und doch benimmt man den Menſchen die allerſchaͤtzbarſte gleich in der zarteſten Jugend; da wird der Verſtand zum Sklaven der verſchiedenen dogmatiſchen Thor- heiten gebildet. Dem Juden wird uͤberdem der hoͤchſt gefaͤhrliche Stolz eingepraͤgt, er gehoͤre zu einem Volke, welches ſich Gott vor allen andern auser- waͤhlt haͤtte; Stolz und Vorurtheile, wovon Jeſus ſie abbringen wolte, die Chriſten aber beſtaͤrken helf- fen. So lange das, was man Religion nennt, mit der Erziehung verbunden bleibt, muß Herz und Ver- ſtand verdorben werden. Nicht die erdichtete Erb- ſuͤnde, ſondern die theologiſche Erziehung iſt an der Boßheit oder vielmehr Thorheit der Menſchen ſchuld; Der Theolog ſey Jude, Chriſt, Tuͤrke oder Heyde. Der Verderb der Sitten iſt gaͤnzlich ein Werk dieſer faſt durchgaͤngig aberglaͤubiſchen Erziehung. Wie viel Macht dieſelbe uͤber den Verſtand habe, zeigt die un- laͤugbarſte Erfahrung. Der Bramine, der Verehrer des Lama, der Mahometaner und der Jude werden nie von dieſen ihnen in der Kindheit angelegten Feſ- ſeln erloͤßt; die kleine Anzahl getaufter Juden und Tuͤrken beweißt nichts, und den Werth der Heyden- bekehrungen kennt Jedermann. Ein Glas Brand- wein, Glaskorallen oder fromme Betriegereyen be- wegen J 4

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Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/143>, abgerufen am 23.11.2024.