Bann und ihre darauf gegründete hierarchische Ty- ranney ein Ende nehme; und wer die Schwäche des menschlichen Herzens kennt, würde sich nicht wun- dern, selbst unter christlichen Theologen solche ortho- doxe Männer zu finden, denen es leyd thäte, wenn nicht wenigstens unter den Juden noch eine solche geistliche Macht beybehalten würde.
ad 2) Waren Pharisäer, Sadducäer, Essenär etc. alle Juden, sind noch unsere Juden von den Portu- giesen und den Caraiten unterschieden, warum solte man nicht zulassen daß sie sich noch in viel mehrere Secten theilten, wie es sich vor etliche 30 Jah- ren schon dazu anließ, da der Ober-Rabbiner in Al- tona im Verdacht kam ein jüdischer Ketzer zu seyn, und großen Anhang hatte. Ist es nicht lächerlich daß man auch sogar der Ortodoxie des jüdischen Aber- glaubens Beystand leistet, anstatt den weisen Julian nachzuahmen, der es gerne sahe wenn unter den Chri- sten viele Secten entstanden, weil man alsdann unani- mantem plebem weniger zu fürchten hat. Aus eben dieser Ursache wünsche ich sehr, daß uns Gott behüte für der Vereinigung der protestantischen Kirchen mit der ka- tholischen, da würde das arme Menschengeschlecht bald wieder unter das Joch der Geistlichen gebracht wer- den; bis hieher hat der ortodoxe Eigensinn, die gute
Folge
J 2
Bann und ihre darauf gegruͤndete hierarchiſche Ty- ranney ein Ende nehme; und wer die Schwaͤche des menſchlichen Herzens kennt, wuͤrde ſich nicht wun- dern, ſelbſt unter chriſtlichen Theologen ſolche ortho- doxe Maͤnner zu finden, denen es leyd thaͤte, wenn nicht wenigſtens unter den Juden noch eine ſolche geiſtliche Macht beybehalten wuͤrde.
ad 2) Waren Phariſaͤer, Sadducaͤer, Eſſenaͤr ꝛc. alle Juden, ſind noch unſere Juden von den Portu- gieſen und den Caraiten unterſchieden, warum ſolte man nicht zulaſſen daß ſie ſich noch in viel mehrere Secten theilten, wie es ſich vor etliche 30 Jah- ren ſchon dazu anließ, da der Ober-Rabbiner in Al- tona im Verdacht kam ein juͤdiſcher Ketzer zu ſeyn, und großen Anhang hatte. Iſt es nicht laͤcherlich daß man auch ſogar der Ortodoxie des juͤdiſchen Aber- glaubens Beyſtand leiſtet, anſtatt den weiſen Julian nachzuahmen, der es gerne ſahe wenn unter den Chri- ſten viele Secten entſtanden, weil man alsdann unani- mantem plebem weniger zu fuͤrchten hat. Aus eben dieſer Urſache wuͤnſche ich ſehr, daß uns Gott behuͤte fuͤr der Vereinigung der proteſtantiſchen Kirchen mit der ka- tholiſchen, da wuͤrde das arme Menſchengeſchlecht bald wieder unter das Joch der Geiſtlichen gebracht wer- den; bis hieher hat der ortodoxe Eigenſinn, die gute
Folge
J 2
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Bann und ihre darauf gegruͤndete hierarchiſche Ty-
ranney ein Ende nehme; und wer die Schwaͤche des
menſchlichen Herzens kennt, wuͤrde ſich nicht wun-
dern, ſelbſt unter chriſtlichen Theologen ſolche ortho-
doxe Maͤnner zu finden, denen es leyd thaͤte, wenn
nicht wenigſtens unter den Juden noch eine ſolche
geiſtliche Macht beybehalten wuͤrde.
ad 2) Waren Phariſaͤer, Sadducaͤer, Eſſenaͤr ꝛc.
alle Juden, ſind noch unſere Juden von den Portu-
gieſen und den Caraiten unterſchieden, warum ſolte
man nicht zulaſſen daß ſie ſich noch in viel mehrere
Secten theilten, wie es ſich vor etliche 30 Jah-
ren ſchon dazu anließ, da der Ober-Rabbiner in Al-
tona im Verdacht kam ein juͤdiſcher Ketzer zu ſeyn,
und großen Anhang hatte. Iſt es nicht laͤcherlich
daß man auch ſogar der Ortodoxie des juͤdiſchen Aber-
glaubens Beyſtand leiſtet, anſtatt den weiſen Julian
nachzuahmen, der es gerne ſahe wenn unter den Chri-
ſten viele Secten entſtanden, weil man alsdann unani-
mantem plebem weniger zu fuͤrchten hat. Aus eben dieſer
Urſache wuͤnſche ich ſehr, daß uns Gott behuͤte fuͤr der
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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