Dohm. Mein ist die Schuld nicht, sie liegt in un- sern politischen Verhältnissen längst und fest gegrün- deter Staaten, die dieser Nation einmal nicht gün- stig sind, und diese Verhältnisse lassen sich einmal nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht zum Nachtheile der Staaten selbst. Will der Jude ein Ackersmann werden; so glaub ich, daß noch Steppen, Heiden und Wüsten gnug zu seinen Diensten stehen, er wird sich aber für dis Geschenk bedanken. Will er seine Handlungsindüstrie weiter treiben; so dürft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen, wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und dem Staat, ohne Präjudiz eines Dritten, nützlich seyn können, und das wäre, wie gesagt, sein Ele- ment. Erläßt ihm der Staat die drückende Abga- ben, so wird er, bey seiner Frugalität, ohne den bisherigen übertriebenen Wucher wohlhabend wer- den können. Aber! aber! die Gewohnheit ist die andere Natur; ich fürchte also, daß viele auch in verbesserten Umständen der Neigung zum Wucher nicht werden widerstehen können; denn ich bin schon unglaubiger in diesem Stücke, als Herr Dohm. Und was kann dann natürlicher folgen, als daß ihre Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall ihrer moralischen Verbesserung, ohne welche sie einer
bür-
Dohm. Mein iſt die Schuld nicht, ſie liegt in un- ſern politiſchen Verhaͤltniſſen laͤngſt und feſt gegruͤn- deter Staaten, die dieſer Nation einmal nicht guͤn- ſtig ſind, und dieſe Verhaͤltniſſe laſſen ſich einmal nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht zum Nachtheile der Staaten ſelbſt. Will der Jude ein Ackersmann werden; ſo glaub ich, daß noch Steppen, Heiden und Wuͤſten gnug zu ſeinen Dienſten ſtehen, er wird ſich aber fuͤr dis Geſchenk bedanken. Will er ſeine Handlungsinduͤſtrie weiter treiben; ſo duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen, wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich ſeyn koͤnnen, und das waͤre, wie geſagt, ſein Ele- ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga- ben, ſo wird er, bey ſeiner Frugalitaͤt, ohne den bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer- den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit iſt die andere Natur; ich fuͤrchte alſo, daß viele auch in verbeſſerten Umſtaͤnden der Neigung zum Wucher nicht werden widerſtehen koͤnnen; denn ich bin ſchon unglaubiger in dieſem Stuͤcke, als Herr Dohm. Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall ihrer moraliſchen Verbeſſerung, ohne welche ſie einer
buͤr-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0118"n="110"/><hirendition="#fr">Dohm.</hi> Mein iſt die Schuld nicht, ſie liegt in un-<lb/>ſern politiſchen Verhaͤltniſſen laͤngſt und feſt gegruͤn-<lb/>
deter Staaten, die dieſer Nation einmal nicht guͤn-<lb/>ſtig ſind, und dieſe Verhaͤltniſſe laſſen ſich einmal<lb/>
nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht<lb/>
zum Nachtheile der Staaten ſelbſt. Will der Jude<lb/>
ein Ackersmann werden; ſo glaub ich, daß noch<lb/>
Steppen, Heiden und Wuͤſten gnug zu ſeinen<lb/>
Dienſten ſtehen, er wird ſich aber fuͤr dis Geſchenk<lb/>
bedanken. Will er ſeine Handlungsinduͤſtrie weiter<lb/>
treiben; ſo duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen,<lb/>
wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und<lb/>
dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich<lb/>ſeyn koͤnnen, und das waͤre, wie geſagt, ſein Ele-<lb/>
ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga-<lb/>
ben, ſo wird er, bey ſeiner Frugalitaͤt, ohne den<lb/>
bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer-<lb/>
den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit iſt die<lb/>
andere Natur; ich fuͤrchte alſo, daß viele auch in<lb/>
verbeſſerten Umſtaͤnden der Neigung zum Wucher<lb/>
nicht werden widerſtehen koͤnnen; denn ich bin ſchon<lb/>
unglaubiger in dieſem Stuͤcke, als Herr <hirendition="#fr">Dohm</hi>.<lb/>
Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre<lb/>
Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall<lb/>
ihrer moraliſchen Verbeſſerung, ohne welche ſie einer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">buͤr-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[110/0118]
Dohm. Mein iſt die Schuld nicht, ſie liegt in un-
ſern politiſchen Verhaͤltniſſen laͤngſt und feſt gegruͤn-
deter Staaten, die dieſer Nation einmal nicht guͤn-
ſtig ſind, und dieſe Verhaͤltniſſe laſſen ſich einmal
nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht
zum Nachtheile der Staaten ſelbſt. Will der Jude
ein Ackersmann werden; ſo glaub ich, daß noch
Steppen, Heiden und Wuͤſten gnug zu ſeinen
Dienſten ſtehen, er wird ſich aber fuͤr dis Geſchenk
bedanken. Will er ſeine Handlungsinduͤſtrie weiter
treiben; ſo duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen,
wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und
dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich
ſeyn koͤnnen, und das waͤre, wie geſagt, ſein Ele-
ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga-
ben, ſo wird er, bey ſeiner Frugalitaͤt, ohne den
bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer-
den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit iſt die
andere Natur; ich fuͤrchte alſo, daß viele auch in
verbeſſerten Umſtaͤnden der Neigung zum Wucher
nicht werden widerſtehen koͤnnen; denn ich bin ſchon
unglaubiger in dieſem Stuͤcke, als Herr Dohm.
Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre
Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall
ihrer moraliſchen Verbeſſerung, ohne welche ſie einer
buͤr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/118>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.