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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

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Dohm. Mein ist die Schuld nicht, sie liegt in un-
sern politischen Verhältnissen längst und fest gegrün-
deter Staaten, die dieser Nation einmal nicht gün-
stig sind, und diese Verhältnisse lassen sich einmal
nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht
zum Nachtheile der Staaten selbst. Will der Jude
ein Ackersmann werden; so glaub ich, daß noch
Steppen, Heiden und Wüsten gnug zu seinen
Diensten stehen, er wird sich aber für dis Geschenk
bedanken. Will er seine Handlungsindüstrie weiter
treiben; so dürft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen,
wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und
dem Staat, ohne Präjudiz eines Dritten, nützlich
seyn können, und das wäre, wie gesagt, sein Ele-
ment. Erläßt ihm der Staat die drückende Abga-
ben, so wird er, bey seiner Frugalität, ohne den
bisherigen übertriebenen Wucher wohlhabend wer-
den können. Aber! aber! die Gewohnheit ist die
andere Natur; ich fürchte also, daß viele auch in
verbesserten Umständen der Neigung zum Wucher
nicht werden widerstehen können; denn ich bin schon
unglaubiger in diesem Stücke, als Herr Dohm.
Und was kann dann natürlicher folgen, als daß ihre
Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall
ihrer moralischen Verbesserung, ohne welche sie einer

bür-

Dohm. Mein iſt die Schuld nicht, ſie liegt in un-
ſern politiſchen Verhaͤltniſſen laͤngſt und feſt gegruͤn-
deter Staaten, die dieſer Nation einmal nicht guͤn-
ſtig ſind, und dieſe Verhaͤltniſſe laſſen ſich einmal
nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht
zum Nachtheile der Staaten ſelbſt. Will der Jude
ein Ackersmann werden; ſo glaub ich, daß noch
Steppen, Heiden und Wuͤſten gnug zu ſeinen
Dienſten ſtehen, er wird ſich aber fuͤr dis Geſchenk
bedanken. Will er ſeine Handlungsinduͤſtrie weiter
treiben; ſo duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen,
wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und
dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich
ſeyn koͤnnen, und das waͤre, wie geſagt, ſein Ele-
ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga-
ben, ſo wird er, bey ſeiner Frugalitaͤt, ohne den
bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer-
den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit iſt die
andere Natur; ich fuͤrchte alſo, daß viele auch in
verbeſſerten Umſtaͤnden der Neigung zum Wucher
nicht werden widerſtehen koͤnnen; denn ich bin ſchon
unglaubiger in dieſem Stuͤcke, als Herr Dohm.
Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre
Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall
ihrer moraliſchen Verbeſſerung, ohne welche ſie einer

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[110/0118] Dohm. Mein iſt die Schuld nicht, ſie liegt in un- ſern politiſchen Verhaͤltniſſen laͤngſt und feſt gegruͤn- deter Staaten, die dieſer Nation einmal nicht guͤn- ſtig ſind, und dieſe Verhaͤltniſſe laſſen ſich einmal nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht zum Nachtheile der Staaten ſelbſt. Will der Jude ein Ackersmann werden; ſo glaub ich, daß noch Steppen, Heiden und Wuͤſten gnug zu ſeinen Dienſten ſtehen, er wird ſich aber fuͤr dis Geſchenk bedanken. Will er ſeine Handlungsinduͤſtrie weiter treiben; ſo duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen, wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich ſeyn koͤnnen, und das waͤre, wie geſagt, ſein Ele- ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga- ben, ſo wird er, bey ſeiner Frugalitaͤt, ohne den bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer- den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit iſt die andere Natur; ich fuͤrchte alſo, daß viele auch in verbeſſerten Umſtaͤnden der Neigung zum Wucher nicht werden widerſtehen koͤnnen; denn ich bin ſchon unglaubiger in dieſem Stuͤcke, als Herr Dohm. Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall ihrer moraliſchen Verbeſſerung, ohne welche ſie einer buͤr-

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Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/118>, abgerufen am 26.11.2024.