dult gehabt, weil ich vielleicht, bey seiner Erzie- hung, in seiner Verfassung, eben sowohl ein Jude würde gewesen und geblieben seyn, als er. Den rechtschaffenen Juden, (und es giebt gewiß welche) hab ich immer mehr geliebt, als den sogenannten Christen, der seinen Glauben durch sein Leben schändet; denn ich weiß es von Petro, daß Gott die Person nicht ansiehet, sondern in al- lerley Volk, wer ihn fürchtet und recht thut, der ist ihm angenehm. Apost. Gesch. 10, 34. 35. Dadurch hab' ich manchen Juden von einer bessern Seite kennen gelernt, als andere ihn kennen lernen wollten, ich habe gefunden, daß sie edler Empfin- dung fähig sind, und weiß gewiß, daß, wenn ich unter Mörder fallen würde, und ein Jude, der mich kennte, käme des Weges, er nicht bey mir vorüber gehen würde.
Kein Religionsirrthum, der unverschuldet ist, entbindet mich von der allgemeinen Pflicht, meinen Nächsten zu lieben, und wie kann ich's beurtheilen, daß der Irrthum des Juden verschuldet oder unver- schuldet war? Ich kann mich nicht ganz in seine Lage hinein denken, mich nicht ganz in seine Stelle setzen. Es gehört schon ein genauer Beobachter dar- zu, der seine eigene Seelengeschichte kennen und recht
wissen
dult gehabt, weil ich vielleicht, bey ſeiner Erzie- hung, in ſeiner Verfaſſung, eben ſowohl ein Jude wuͤrde geweſen und geblieben ſeyn, als er. Den rechtſchaffenen Juden, (und es giebt gewiß welche) hab ich immer mehr geliebt, als den ſogenannten Chriſten, der ſeinen Glauben durch ſein Leben ſchaͤndet; denn ich weiß es von Petro, daß Gott die Perſon nicht anſiehet, ſondern in al- lerley Volk, wer ihn fuͤrchtet und recht thut, der iſt ihm angenehm. Apoſt. Geſch. 10, 34. 35. Dadurch hab’ ich manchen Juden von einer beſſern Seite kennen gelernt, als andere ihn kennen lernen wollten, ich habe gefunden, daß ſie edler Empfin- dung faͤhig ſind, und weiß gewiß, daß, wenn ich unter Moͤrder fallen wuͤrde, und ein Jude, der mich kennte, kaͤme des Weges, er nicht bey mir voruͤber gehen wuͤrde.
Kein Religionsirrthum, der unverſchuldet iſt, entbindet mich von der allgemeinen Pflicht, meinen Naͤchſten zu lieben, und wie kann ich’s beurtheilen, daß der Irrthum des Juden verſchuldet oder unver- ſchuldet war? Ich kann mich nicht ganz in ſeine Lage hinein denken, mich nicht ganz in ſeine Stelle ſetzen. Es gehoͤrt ſchon ein genauer Beobachter dar- zu, der ſeine eigene Seelengeſchichte kennen und recht
wiſſen
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dult gehabt, weil ich vielleicht, bey ſeiner Erzie-
hung, in ſeiner Verfaſſung, eben ſowohl ein
Jude wuͤrde geweſen und geblieben ſeyn, als
er. Den rechtſchaffenen Juden, (und es giebt
gewiß welche) hab ich immer mehr geliebt, als den
ſogenannten Chriſten, der ſeinen Glauben durch ſein
Leben ſchaͤndet; denn ich weiß es von Petro, daß
Gott die Perſon nicht anſiehet, ſondern in al-
lerley Volk, wer ihn fuͤrchtet und recht thut,
der iſt ihm angenehm. Apoſt. Geſch. 10, 34. 35.
Dadurch hab’ ich manchen Juden von einer beſſern
Seite kennen gelernt, als andere ihn kennen lernen
wollten, ich habe gefunden, daß ſie edler Empfin-
dung faͤhig ſind, und weiß gewiß, daß, wenn ich
unter Moͤrder fallen wuͤrde, und ein Jude, der mich
kennte, kaͤme des Weges, er nicht bey mir voruͤber
gehen wuͤrde.
Kein Religionsirrthum, der unverſchuldet iſt,
entbindet mich von der allgemeinen Pflicht, meinen
Naͤchſten zu lieben, und wie kann ich’s beurtheilen,
daß der Irrthum des Juden verſchuldet oder unver-
ſchuldet war? Ich kann mich nicht ganz in ſeine
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ſetzen. Es gehoͤrt ſchon ein genauer Beobachter dar-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/100>, abgerufen am 28.11.2024.
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