Verdorrt ihnen nicht die Zunge ob so schmählicher Lüge!
Bei diesem unerhörten Widerspruch zwischen dem Gesetz und den hergebrachten Heuchelphrasen vom heiligen Mutterberuf wird es dabei nicht dem Einfältigsten klar, daß diese Phrasen nur dazu dienen sollen, alle Müh- seligkeiten der Elternschaft unter der Etiquette "heilig" der Mutter aufzubürden, während der Vater alle Vor- theile, selbständige Bestimmungen und Rechte dem Kinde gegenüber für sich in Anspruch nimmt?
Jch weiß wohl, in vielerlei Dingen gestattet der Gatte, daß die Frau mit ihren Kindern nach freiester Willkür schalte.
Sie darf ungehindert nächtlicher Weile, wenn sie vom Wochenbett noch schwach und kränkelnd ist, das schreiende Kind Stunde um Stunde wiegen, tragen und sättigen. Und daneben schnarcht der Mann die liebe lange Nacht, höchstens brummt er unwillig, wenn der kleine Balg es zu arg macht. Der Gute, er würde es für einen Einbruch in das geheiligte Mutterrecht halten, der Gattin das Kindchen auf einige Augenblicke abzu- nehmen. Und wie lächerlich, wie unmännlich - ein Mann als Kindeswärterin!
Er hat zwar zwei starke, gesunde Arme, doch muß er sich schonen, er muß ja bei Tage "geistig" arbeiten.
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Verdorrt ihnen nicht die Zunge ob so schmählicher Lüge!
Bei diesem unerhörten Widerspruch zwischen dem Gesetz und den hergebrachten Heuchelphrasen vom heiligen Mutterberuf wird es dabei nicht dem Einfältigsten klar, daß diese Phrasen nur dazu dienen sollen, alle Müh- seligkeiten der Elternschaft unter der Etiquette „heilig‟ der Mutter aufzubürden, während der Vater alle Vor- theile, selbständige Bestimmungen und Rechte dem Kinde gegenüber für sich in Anspruch nimmt?
Jch weiß wohl, in vielerlei Dingen gestattet der Gatte, daß die Frau mit ihren Kindern nach freiester Willkür schalte.
Sie darf ungehindert nächtlicher Weile, wenn sie vom Wochenbett noch schwach und kränkelnd ist, das schreiende Kind Stunde um Stunde wiegen, tragen und sättigen. Und daneben schnarcht der Mann die liebe lange Nacht, höchstens brummt er unwillig, wenn der kleine Balg es zu arg macht. Der Gute, er würde es für einen Einbruch in das geheiligte Mutterrecht halten, der Gattin das Kindchen auf einige Augenblicke abzu- nehmen. Und wie lächerlich, wie unmännlich – ein Mann als Kindeswärterin!
Er hat zwar zwei starke, gesunde Arme, doch muß er sich schonen, er muß ja bei Tage „geistig‟ arbeiten.
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Verdorrt ihnen nicht die Zunge ob so schmählicher
Lüge!
Bei diesem unerhörten Widerspruch zwischen dem
Gesetz und den hergebrachten Heuchelphrasen vom heiligen
Mutterberuf wird es dabei nicht dem Einfältigsten klar,
daß diese Phrasen nur dazu dienen sollen, alle Müh-
seligkeiten der Elternschaft unter der Etiquette „heilig‟
der Mutter aufzubürden, während der Vater alle Vor-
theile, selbständige Bestimmungen und Rechte dem Kinde
gegenüber für sich in Anspruch nimmt?
Jch weiß wohl, in vielerlei Dingen gestattet der
Gatte, daß die Frau mit ihren Kindern nach freiester
Willkür schalte.
Sie darf ungehindert nächtlicher Weile, wenn sie
vom Wochenbett noch schwach und kränkelnd ist, das
schreiende Kind Stunde um Stunde wiegen, tragen und
sättigen. Und daneben schnarcht der Mann die liebe
lange Nacht, höchstens brummt er unwillig, wenn der
kleine Balg es zu arg macht. Der Gute, er würde es
für einen Einbruch in das geheiligte Mutterrecht halten,
der Gattin das Kindchen auf einige Augenblicke abzu-
nehmen. Und wie lächerlich, wie unmännlich – ein
Mann als Kindeswärterin!
Er hat zwar zwei starke, gesunde Arme, doch muß
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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/59>, abgerufen am 16.02.2025.
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