verschiedene Auffassung derselben Dinge bei beiden Ge- schlechtern nicht auf die Politik beschränken, sondern sie würde auch auf allen anderen Gebieten zu Tage treten.
Jch behaupte z. B. (wer will es mir wehren), das Anhören einer Beethoven'schen Sonate erweckt in der Frau wehmüthige Mondscheingedanken, im Manne - Rachegefühle. Jch behaupte es und erwarte den Gegen- beweis.
Jch behaupte, die Lektüre einer Shakespeare'schen Tragödie erweckt in den Frauen tugendhafte, in den Männern lasterhafte Entschlüsse, ich behaupte es und er- warte den Gegenbeweis.
Auch die Sehnerven stehen in unmittelbarem Zu- sammenhang mit den Gehirnnerven. Wie geht es zu, daß bei so verschieden construirten Gehirnen beide Ge- schlechter die Bäume grün sehen? warum erscheinen sie nicht, um den Unterschied der Geschlechter festzustellen, den Männern roth oder gelb?
Hier ist jedenfalls ein weiter Spielraum für die kühnsten Hypothesen gegeben.
Schon sehen wir große Männer sich darauf tummeln, schon hat der Postdirektor Stephan entdeckt, daß die Frau einen Gehirnnerven habe, vermöge dessen sie das Brief- geheimniß nicht wahren könne.
Er führt sogar aus (mit dem Citat eines Anderen),
verschiedene Auffassung derselben Dinge bei beiden Ge- schlechtern nicht auf die Politik beschränken, sondern sie würde auch auf allen anderen Gebieten zu Tage treten.
Jch behaupte z. B. (wer will es mir wehren), das Anhören einer Beethoven'schen Sonate erweckt in der Frau wehmüthige Mondscheingedanken, im Manne – Rachegefühle. Jch behaupte es und erwarte den Gegen- beweis.
Jch behaupte, die Lektüre einer Shakespeare'schen Tragödie erweckt in den Frauen tugendhafte, in den Männern lasterhafte Entschlüsse, ich behaupte es und er- warte den Gegenbeweis.
Auch die Sehnerven stehen in unmittelbarem Zu- sammenhang mit den Gehirnnerven. Wie geht es zu, daß bei so verschieden construirten Gehirnen beide Ge- schlechter die Bäume grün sehen? warum erscheinen sie nicht, um den Unterschied der Geschlechter festzustellen, den Männern roth oder gelb?
Hier ist jedenfalls ein weiter Spielraum für die kühnsten Hypothesen gegeben.
Schon sehen wir große Männer sich darauf tummeln, schon hat der Postdirektor Stephan entdeckt, daß die Frau einen Gehirnnerven habe, vermöge dessen sie das Brief- geheimniß nicht wahren könne.
Er führt sogar aus (mit dem Citat eines Anderen),
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verschiedene Auffassung derselben Dinge bei beiden Ge-
schlechtern nicht auf die Politik beschränken, sondern sie
würde auch auf allen anderen Gebieten zu Tage treten.
Jch behaupte z. B. (wer will es mir wehren), das
Anhören einer Beethoven'schen Sonate erweckt in der
Frau wehmüthige Mondscheingedanken, im Manne –
Rachegefühle. Jch behaupte es und erwarte den Gegen-
beweis.
Jch behaupte, die Lektüre einer Shakespeare'schen
Tragödie erweckt in den Frauen tugendhafte, in den
Männern lasterhafte Entschlüsse, ich behaupte es und er-
warte den Gegenbeweis.
Auch die Sehnerven stehen in unmittelbarem Zu-
sammenhang mit den Gehirnnerven. Wie geht es zu,
daß bei so verschieden construirten Gehirnen beide Ge-
schlechter die Bäume grün sehen? warum erscheinen sie
nicht, um den Unterschied der Geschlechter festzustellen,
den Männern roth oder gelb?
Hier ist jedenfalls ein weiter Spielraum für die
kühnsten Hypothesen gegeben.
Schon sehen wir große Männer sich darauf tummeln,
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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/195>, abgerufen am 16.07.2024.
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