Das Gefühl, das heut die Frauenbefreiung abwehrt, es ist dasselbe Gefühl, das sich vor Jahrhunderten gegen die Gewissensfreiheit empörte, das im Volke aufjauchzte bei der massenhaften Abschlachtung der Ketzer.
Nicht auf das Gefühl als solches kommt es an. Wer Gefühle hat, der prüfe sie wohl, ob sie auf Ge- rechtigkeit und Tugend, oder auf Egoismus, Tradition und Gewohnheit gegründet sind.
Wäre es wahr, daß, um ein Beispiel anzuführen, die Liebe zu den Kindern nur in der Küche gar schmorte, vor dem Studium einer Wissenschaft aber sich in eitel Dunst auflöste - so wäre es auch wahr, daß die Ver- edlung des Menschen nur in Begriffen besteht, ohne Ein- fluß auf das wirkliche Leben zu gewinnen.
Dann könnte mir alle Bildung und alle Wissenschaft gestohlen werden, und ich würde mit Rousseau für Naturzustände schwärmen.
Die Anfeindung der künstlerisch, wissenschaftlich oder gewerblich beschäftigten Frau geschieht übrigens nicht ein- mal in gutem Glauben.
Fast ein Jeder aus den Kreisen der sogenannten guten Gesellschaft kennt derartige Frauen und weiß sehr wohl, daß sie ihren Haushalt nicht weniger ordentlich führen, als andere Frauen.
Mir sind zufällig eine Anzahl verheiratheter Schau-
Das Gefühl, das heut die Frauenbefreiung abwehrt, es ist dasselbe Gefühl, das sich vor Jahrhunderten gegen die Gewissensfreiheit empörte, das im Volke aufjauchzte bei der massenhaften Abschlachtung der Ketzer.
Nicht auf das Gefühl als solches kommt es an. Wer Gefühle hat, der prüfe sie wohl, ob sie auf Ge- rechtigkeit und Tugend, oder auf Egoismus, Tradition und Gewohnheit gegründet sind.
Wäre es wahr, daß, um ein Beispiel anzuführen, die Liebe zu den Kindern nur in der Küche gar schmorte, vor dem Studium einer Wissenschaft aber sich in eitel Dunst auflöste – so wäre es auch wahr, daß die Ver- edlung des Menschen nur in Begriffen besteht, ohne Ein- fluß auf das wirkliche Leben zu gewinnen.
Dann könnte mir alle Bildung und alle Wissenschaft gestohlen werden, und ich würde mit Rousseau für Naturzustände schwärmen.
Die Anfeindung der künstlerisch, wissenschaftlich oder gewerblich beschäftigten Frau geschieht übrigens nicht ein- mal in gutem Glauben.
Fast ein Jeder aus den Kreisen der sogenannten guten Gesellschaft kennt derartige Frauen und weiß sehr wohl, daß sie ihren Haushalt nicht weniger ordentlich führen, als andere Frauen.
Mir sind zufällig eine Anzahl verheiratheter Schau-
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Das Gefühl, das heut die Frauenbefreiung abwehrt,
es ist dasselbe Gefühl, das sich vor Jahrhunderten gegen
die Gewissensfreiheit empörte, das im Volke aufjauchzte
bei der massenhaften Abschlachtung der Ketzer.
Nicht auf das Gefühl als solches kommt es an.
Wer Gefühle hat, der prüfe sie wohl, ob sie auf Ge-
rechtigkeit und Tugend, oder auf Egoismus, Tradition
und Gewohnheit gegründet sind.
Wäre es wahr, daß, um ein Beispiel anzuführen,
die Liebe zu den Kindern nur in der Küche gar schmorte,
vor dem Studium einer Wissenschaft aber sich in eitel
Dunst auflöste – so wäre es auch wahr, daß die Ver-
edlung des Menschen nur in Begriffen besteht, ohne Ein-
fluß auf das wirkliche Leben zu gewinnen.
Dann könnte mir alle Bildung und alle Wissenschaft
gestohlen werden, und ich würde mit Rousseau für
Naturzustände schwärmen.
Die Anfeindung der künstlerisch, wissenschaftlich oder
gewerblich beschäftigten Frau geschieht übrigens nicht ein-
mal in gutem Glauben.
Fast ein Jeder aus den Kreisen der sogenannten
guten Gesellschaft kennt derartige Frauen und weiß sehr
wohl, daß sie ihren Haushalt nicht weniger ordentlich
führen, als andere Frauen.
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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/141>, abgerufen am 16.02.2025.
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