Der Jnstinkt, nimmt man gemeiniglich an, finde nur auf niederen Gebieten seine Anwendung und könne sich nur auf Allgemeines beziehen. Wir sprechen von einem Jnstinkt der Selbsterhaltung, von einem solchen der Fortpflanzung, Mr. Chaplin aber kennt, wie es scheint, noch einen Special-Jnstinkt, der sich auf das Stimmrecht der Frauen bezieht.
Aber vielleicht interpretiren wir seinen Gedanken falsch und er hat bei seinem Ausspruch nur jenen all- gemeinen Jnstinkt im Sinne gehabt, der die Unter- ordnung des Weibes unter den Willen des Mannes fordert, und als dessen Consequenz sich dann die Stimm- rechtslosigkeit der Frauen von selbst ergiebt.
Jn der That, ein solcher Jnstinkt mag vorhanden sein. Bei den Frauen? nimmermehr. Bei den Männern? möglicherweise. Man mag annehmen, daß der Trieb der Selbsterhaltung, auf ein geistigeres Gebiet übertragen, den Trieb nach Freiheit und Macht umfaßt; er würde dann eins sein mit dem "Kampf um's Dasein".
Jch will nun gern glauben, daß die Sorge für ihr eigenes Fortkommen die Männer instinktmäßig warnt vor der politischen und socialen Freilassung der Frau, vor ihrer Gleichstellung mit ihnen. Derselbe Jnstinkt, der ihnen lehrt, daß gutes Essen besser schmeckt,
Dohm, Zur Frauenfrage. 10
Der Jnstinkt, nimmt man gemeiniglich an, finde nur auf niederen Gebieten seine Anwendung und könne sich nur auf Allgemeines beziehen. Wir sprechen von einem Jnstinkt der Selbsterhaltung, von einem solchen der Fortpflanzung, Mr. Chaplin aber kennt, wie es scheint, noch einen Special-Jnstinkt, der sich auf das Stimmrecht der Frauen bezieht.
Aber vielleicht interpretiren wir seinen Gedanken falsch und er hat bei seinem Ausspruch nur jenen all- gemeinen Jnstinkt im Sinne gehabt, der die Unter- ordnung des Weibes unter den Willen des Mannes fordert, und als dessen Consequenz sich dann die Stimm- rechtslosigkeit der Frauen von selbst ergiebt.
Jn der That, ein solcher Jnstinkt mag vorhanden sein. Bei den Frauen? nimmermehr. Bei den Männern? möglicherweise. Man mag annehmen, daß der Trieb der Selbsterhaltung, auf ein geistigeres Gebiet übertragen, den Trieb nach Freiheit und Macht umfaßt; er würde dann eins sein mit dem „Kampf um's Dasein‟.
Jch will nun gern glauben, daß die Sorge für ihr eigenes Fortkommen die Männer instinktmäßig warnt vor der politischen und socialen Freilassung der Frau, vor ihrer Gleichstellung mit ihnen. Derselbe Jnstinkt, der ihnen lehrt, daß gutes Essen besser schmeckt,
Dohm, Zur Frauenfrage. 10
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0153"n="145"/><p>Der Jnstinkt, nimmt man gemeiniglich an, finde<lb/>
nur auf niederen Gebieten seine Anwendung und könne<lb/>
sich nur auf Allgemeines beziehen. Wir sprechen von<lb/>
einem Jnstinkt der Selbsterhaltung, von einem solchen<lb/>
der Fortpflanzung, Mr. Chaplin aber kennt, wie es<lb/>
scheint, noch einen Special-Jnstinkt, der sich auf das<lb/>
Stimmrecht der Frauen bezieht.</p><lb/><p>Aber vielleicht interpretiren wir seinen Gedanken<lb/>
falsch und er hat bei seinem Ausspruch nur jenen all-<lb/>
gemeinen Jnstinkt im Sinne gehabt, der die Unter-<lb/>
ordnung des Weibes unter den Willen des Mannes<lb/>
fordert, und als dessen Consequenz sich dann die Stimm-<lb/>
rechtslosigkeit der Frauen von selbst ergiebt.</p><lb/><p>Jn der That, ein solcher Jnstinkt mag vorhanden<lb/>
sein. <hirendition="#g">Bei den Frauen?</hi> nimmermehr. <hirendition="#g">Bei den<lb/>
Männern?</hi> möglicherweise. Man mag annehmen,<lb/>
daß der Trieb der Selbsterhaltung, auf ein geistigeres<lb/>
Gebiet übertragen, den Trieb nach Freiheit und Macht<lb/>
umfaßt; er würde dann eins sein mit dem „Kampf<lb/>
um's Dasein‟.</p><lb/><p>Jch will nun gern glauben, daß die Sorge für<lb/>
ihr eigenes Fortkommen die Männer instinktmäßig<lb/>
warnt vor der politischen und socialen Freilassung der<lb/>
Frau, vor ihrer Gleichstellung mit ihnen. Derselbe<lb/>
Jnstinkt, der ihnen lehrt, daß gutes Essen besser schmeckt,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Dohm</hi>, Zur Frauenfrage. 10</fw><lb/> </p></div></body></text></TEI>
[145/0153]
Der Jnstinkt, nimmt man gemeiniglich an, finde
nur auf niederen Gebieten seine Anwendung und könne
sich nur auf Allgemeines beziehen. Wir sprechen von
einem Jnstinkt der Selbsterhaltung, von einem solchen
der Fortpflanzung, Mr. Chaplin aber kennt, wie es
scheint, noch einen Special-Jnstinkt, der sich auf das
Stimmrecht der Frauen bezieht.
Aber vielleicht interpretiren wir seinen Gedanken
falsch und er hat bei seinem Ausspruch nur jenen all-
gemeinen Jnstinkt im Sinne gehabt, der die Unter-
ordnung des Weibes unter den Willen des Mannes
fordert, und als dessen Consequenz sich dann die Stimm-
rechtslosigkeit der Frauen von selbst ergiebt.
Jn der That, ein solcher Jnstinkt mag vorhanden
sein. Bei den Frauen? nimmermehr. Bei den
Männern? möglicherweise. Man mag annehmen,
daß der Trieb der Selbsterhaltung, auf ein geistigeres
Gebiet übertragen, den Trieb nach Freiheit und Macht
umfaßt; er würde dann eins sein mit dem „Kampf
um's Dasein‟.
Jch will nun gern glauben, daß die Sorge für
ihr eigenes Fortkommen die Männer instinktmäßig
warnt vor der politischen und socialen Freilassung der
Frau, vor ihrer Gleichstellung mit ihnen. Derselbe
Jnstinkt, der ihnen lehrt, daß gutes Essen besser schmeckt,
Dohm, Zur Frauenfrage. 10
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-04-07T16:13:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-04-07T16:13:32Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/153>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.