Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese perverse Richtung, die die Frau taxirt nach
dem sinnlichen Reiz, den sie auf den Mann ausübt
(Schönheit ist durchaus keine unerläßliche Bedingung
dabei) ist eine große sittliche Calamität für die mensch-
liche Gesellschaft, so lange die Frau von dem Manne
abhängt, denn Abhängigkeit erzeugt stets die Neigung,
sich dem anzubequemen, dessen Brot man ißt. Das
beweisen geniale Schriftsteller aller Zeiten, die unter
despotischen Regierungen sich zu Schmeichlern ihrer
Herren und Gebieter herabwürdigten.

Sind es nun die sinnlichen Reize vorzugsweise
und ein gewisser pikanter Chik, die der Mann an der
Frau bewundert, so wird sich das Bestreben der Frau
vornehmlich auf die Aneignung und Conservirung dieser
Reize und ihrer pikanten Zuthaten richten.

Griechische Schriftsteller theilen uns mit, daß
Cleopatra Oktavia nicht an Schönheit übertraf. Diese
aber besaß außerdem alle Eigenschaften des Herzens
und die edelste Gesinnung und doch stieß Antonius sie
von seiner Schwelle und lebte und starb für Cleopatra.

Unter der Regierung des letzten Napoleon haben
wir staunend mitangesehen, wie die Damen der höchsten
Aristokratie in Kleidung, Haltung und Gebahren die
Loretten copirten. Die Männer der höheren Gesell-
schaftskreise hatten begonnen, sich ausschließlich dieser

Diese perverse Richtung, die die Frau taxirt nach
dem sinnlichen Reiz, den sie auf den Mann ausübt
(Schönheit ist durchaus keine unerläßliche Bedingung
dabei) ist eine große sittliche Calamität für die mensch-
liche Gesellschaft, so lange die Frau von dem Manne
abhängt, denn Abhängigkeit erzeugt stets die Neigung,
sich dem anzubequemen, dessen Brot man ißt. Das
beweisen geniale Schriftsteller aller Zeiten, die unter
despotischen Regierungen sich zu Schmeichlern ihrer
Herren und Gebieter herabwürdigten.

Sind es nun die sinnlichen Reize vorzugsweise
und ein gewisser pikanter Chik, die der Mann an der
Frau bewundert, so wird sich das Bestreben der Frau
vornehmlich auf die Aneignung und Conservirung dieser
Reize und ihrer pikanten Zuthaten richten.

Griechische Schriftsteller theilen uns mit, daß
Cleopatra Oktavia nicht an Schönheit übertraf. Diese
aber besaß außerdem alle Eigenschaften des Herzens
und die edelste Gesinnung und doch stieß Antonius sie
von seiner Schwelle und lebte und starb für Cleopatra.

Unter der Regierung des letzten Napoleon haben
wir staunend mitangesehen, wie die Damen der höchsten
Aristokratie in Kleidung, Haltung und Gebahren die
Loretten copirten. Die Männer der höheren Gesell-
schaftskreise hatten begonnen, sich ausschließlich dieser

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0141" n="133"/>
        <p>Diese perverse Richtung, die die Frau taxirt nach<lb/>
dem sinnlichen Reiz, den sie auf den Mann ausübt<lb/>
(Schönheit ist durchaus keine unerläßliche Bedingung<lb/>
dabei) ist eine große sittliche Calamität für die mensch-<lb/>
liche Gesellschaft, so lange die Frau von dem Manne<lb/>
abhängt, denn Abhängigkeit erzeugt stets die Neigung,<lb/>
sich dem anzubequemen, dessen Brot man ißt. Das<lb/>
beweisen geniale Schriftsteller aller Zeiten, die unter<lb/>
despotischen Regierungen sich zu Schmeichlern ihrer<lb/>
Herren und Gebieter herabwürdigten.</p><lb/>
        <p>Sind es nun die sinnlichen Reize vorzugsweise<lb/>
und ein gewisser pikanter Chik, die der Mann an der<lb/>
Frau bewundert, so wird sich das Bestreben der Frau<lb/>
vornehmlich auf die Aneignung und Conservirung dieser<lb/>
Reize und ihrer pikanten Zuthaten richten.</p><lb/>
        <p>Griechische Schriftsteller theilen uns mit, daß<lb/>
Cleopatra Oktavia nicht an Schönheit übertraf. Diese<lb/>
aber besaß außerdem alle Eigenschaften des Herzens<lb/>
und die edelste Gesinnung und doch stieß Antonius sie<lb/>
von seiner Schwelle und lebte und starb für Cleopatra.</p><lb/>
        <p>Unter der Regierung des letzten Napoleon haben<lb/>
wir staunend mitangesehen, wie die Damen der höchsten<lb/>
Aristokratie in Kleidung, Haltung und Gebahren die<lb/>
Loretten copirten. Die Männer der höheren Gesell-<lb/>
schaftskreise hatten begonnen, sich ausschließlich dieser<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0141] Diese perverse Richtung, die die Frau taxirt nach dem sinnlichen Reiz, den sie auf den Mann ausübt (Schönheit ist durchaus keine unerläßliche Bedingung dabei) ist eine große sittliche Calamität für die mensch- liche Gesellschaft, so lange die Frau von dem Manne abhängt, denn Abhängigkeit erzeugt stets die Neigung, sich dem anzubequemen, dessen Brot man ißt. Das beweisen geniale Schriftsteller aller Zeiten, die unter despotischen Regierungen sich zu Schmeichlern ihrer Herren und Gebieter herabwürdigten. Sind es nun die sinnlichen Reize vorzugsweise und ein gewisser pikanter Chik, die der Mann an der Frau bewundert, so wird sich das Bestreben der Frau vornehmlich auf die Aneignung und Conservirung dieser Reize und ihrer pikanten Zuthaten richten. Griechische Schriftsteller theilen uns mit, daß Cleopatra Oktavia nicht an Schönheit übertraf. Diese aber besaß außerdem alle Eigenschaften des Herzens und die edelste Gesinnung und doch stieß Antonius sie von seiner Schwelle und lebte und starb für Cleopatra. Unter der Regierung des letzten Napoleon haben wir staunend mitangesehen, wie die Damen der höchsten Aristokratie in Kleidung, Haltung und Gebahren die Loretten copirten. Die Männer der höheren Gesell- schaftskreise hatten begonnen, sich ausschließlich dieser  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/141
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/141>, abgerufen am 05.12.2024.