Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

potenz behaftet. Das Gedankenprincip in diesen beiden
Vorstellungen ist dasselbe: Einem physischen Vorgang
wird willkürlich eine sittliche oder geistige Basis ge-
geben. Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen
sie keine politischen Rechte haben. Jch behaupte: weil
die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie
keine politischen Rechte haben und ich finde die eine
Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere.

Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Weib
bist! Du hast keine politischen Rechte, weil du ein
Jude bist! hat die menschliche Gesellschaft Jahrhunderte
lang den Juden zugerufen. Du hast keine politischen
Rechte, weil du ein Sudra (Mann aus dem Volke) bist,
dekretirt das indische Gesetzbuch, und so du dich um
Politik bekümmerst, wirst du schwer bestraft. Du hast
keine politischen Rechte, weil du schwarz bist und ein
Neger, spricht der Sklavenhalter zu seinem Sklaven,
und weil du schwarz bist, darum bist du mein Sklave
und deine Kinder gehören mir und ich darf sie ver-
kaufen.

Warum?

Weil Du schwarz bist. Was ist ein Neger? was
ist ein Jude? was ist ein Weib? was ist ein Sudra?

Unterdrückte Menschen.

Unterdrückt von wem?

potenz behaftet. Das Gedankenprincip in diesen beiden
Vorstellungen ist dasselbe: Einem physischen Vorgang
wird willkürlich eine sittliche oder geistige Basis ge-
geben. Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen
sie keine politischen Rechte haben. Jch behaupte: weil
die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie
keine politischen Rechte haben und ich finde die eine
Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere.

Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Weib
bist! Du hast keine politischen Rechte, weil du ein
Jude bist! hat die menschliche Gesellschaft Jahrhunderte
lang den Juden zugerufen. Du hast keine politischen
Rechte, weil du ein Sudra (Mann aus dem Volke) bist,
dekretirt das indische Gesetzbuch, und so du dich um
Politik bekümmerst, wirst du schwer bestraft. Du hast
keine politischen Rechte, weil du schwarz bist und ein
Neger, spricht der Sklavenhalter zu seinem Sklaven,
und weil du schwarz bist, darum bist du mein Sklave
und deine Kinder gehören mir und ich darf sie ver-
kaufen.

Warum?

Weil Du schwarz bist. Was ist ein Neger? was
ist ein Jude? was ist ein Weib? was ist ein Sudra?

Unterdrückte Menschen.

Unterdrückt von wem?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="124"/>
potenz behaftet. Das Gedankenprincip in diesen beiden<lb/>
Vorstellungen ist dasselbe: Einem physischen Vorgang<lb/>
wird willkürlich eine sittliche oder geistige Basis ge-<lb/>
geben. Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen<lb/>
sie keine politischen Rechte haben. Jch behaupte: weil<lb/>
die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie<lb/>
keine politischen Rechte haben und ich finde die eine<lb/>
Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere.</p><lb/>
        <p>Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Weib<lb/>
bist! Du hast keine politischen Rechte, weil du ein<lb/>
Jude bist! hat die menschliche Gesellschaft Jahrhunderte<lb/>
lang den Juden zugerufen. Du hast keine politischen<lb/>
Rechte, weil du ein Sudra (Mann aus dem Volke) bist,<lb/>
dekretirt das indische Gesetzbuch, und so du dich um<lb/>
Politik bekümmerst, wirst du schwer bestraft. Du hast<lb/>
keine politischen Rechte, weil du schwarz bist und ein<lb/>
Neger, spricht der Sklavenhalter zu seinem Sklaven,<lb/>
und weil du schwarz bist, darum bist du mein Sklave<lb/>
und deine Kinder gehören mir und ich darf sie ver-<lb/>
kaufen.</p><lb/>
        <p>Warum?</p><lb/>
        <p>Weil Du schwarz bist. Was ist ein Neger? was<lb/>
ist ein Jude? was ist ein Weib? was ist ein Sudra?</p><lb/>
        <p>Unterdrückte Menschen.</p><lb/>
        <p>Unterdrückt von wem?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0132] potenz behaftet. Das Gedankenprincip in diesen beiden Vorstellungen ist dasselbe: Einem physischen Vorgang wird willkürlich eine sittliche oder geistige Basis ge- geben. Weil die Frauen Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben. Jch behaupte: weil die Männer keine Kinder gebären, darum sollen sie keine politischen Rechte haben und ich finde die eine Behauptung mindestens ebenso tiefsinnig wie die andere. Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Weib bist! Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Jude bist! hat die menschliche Gesellschaft Jahrhunderte lang den Juden zugerufen. Du hast keine politischen Rechte, weil du ein Sudra (Mann aus dem Volke) bist, dekretirt das indische Gesetzbuch, und so du dich um Politik bekümmerst, wirst du schwer bestraft. Du hast keine politischen Rechte, weil du schwarz bist und ein Neger, spricht der Sklavenhalter zu seinem Sklaven, und weil du schwarz bist, darum bist du mein Sklave und deine Kinder gehören mir und ich darf sie ver- kaufen. Warum? Weil Du schwarz bist. Was ist ein Neger? was ist ein Jude? was ist ein Weib? was ist ein Sudra? Unterdrückte Menschen. Unterdrückt von wem?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/132
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/132>, abgerufen am 05.12.2024.